Das Portrait
: Diener der Nation

■ Michel Debré

„Frankreich hat einen seiner treuesten Diener verloren“, schrieb der französische Staatspräsident Jacques Chirac in seinem Beileidsschreiben. Michel Debré, erster Ministerpräsident und Mitbegründer der Fünften Republik, ist am Freitag im Alter von 84 Jahren gestorben.

1912 wurde Debré in Paris geboren. Er studierte Jura an der Sorbonne und schloß seine Ausbildung mit einem Diplom der École libre des Sciences Politiques in Paris ab. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Debré zur Kavallerie eingezogen, geriet in deutsche Gefangenschaft, konnte aber nach Marokko fliehen. Dort schloß er sich der Résistance an.

Im August 1944 wurde Debré zum Kommissar der Republik für die Region Angers bestellt. Hier traf er erstmals General Charles de Gaulle. „Ich näherte mich, hörte seine Stimme, und dann war ich glücklich“, schrieb Debré in seinen Memoiren über das Treffen mit dem Mann, dessen getreuester Gefolgsmann er werden sollte. 1945 wurde er von de Gaulle mit einer Verwaltungsreform beauftragt und gründete die Kaderschmiede ENA (École Nationale d'Administration). Seit 1947 in der „Sammlungsbewegung des Französischen Volkes“ (RPF) aktiv, betrieb Debré die Rückkehr des Generals an die Macht. Als 1958 de Gaulle erster Präsident der Fünften Republik wurde, schlug auch Debrés Stunde: Er wurde Justizminister und mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beauftragt. Ein Jahr später wurde er Regierungschef. Das blieb er bis 1962. In der Folgezeit bekleidete Debré verschiedene Ministerämter: Justizminister, Wirtschafts- und Finanzminister, Verteidigungsminister und Außenminister. Doch die ganze Zeit trieb ihn die Sorge um ein vereinigtes gaullistisches Frankreich um, das er durch die Erben des Gaullismus in Gefahr sah. 1981 trat er bei den Präsidentenwahlen an – sein letzter politischer Kampf. Im ersten Wahlgang erhielt er nur 1,6 Prozent der Stimmen.

1995, schon schwer von der Parkinson-Krankheit gezeichnet, sinnierte Debré über de Gaulles Vermächtnis. „Wie kann man Gaullist sein, ohne de Gaulle?“ fragte er einmal. Vielleicht hat ihm Jacques Chirac eine Antwort darauf gegeben. Kurz nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Mai vergangenen Jahres besuchte er ihn zum letzten Mal. Barbara Oertel