■ Japan: Volksentschied gegen Atomkraftwerk in Maki
: Basisdemokratischer Sieg

Auch Japan hat jetzt sein Gorleben. Ein kleines, wohlhabendes Städtchen namens Maki am Japanischen Meer hat sich am Sonntag per Volksentscheid gegen den Bau eines Atomkraftwerks entschieden. Daran scheint auf den ersten Blick wenig verwunderlich. Warum sollten sich die JapanerInnen, wenn sie gefragt werden, anders entscheiden als die Bürger im Westen? Atomkraftwerke sind heute in reichen Ländern, wo die lokale Bevölkerung ein Mitspracherecht hat, nicht mehr mehrheitsfähig. In Japan, das den Tschernobyl-Schock nur aus der Distanz erlebte, gilt das spätestens seit dem Erdbeben von Kobe, das mangelnde Sicherheitsvorkehrungen aufzeigte, und dem schweren Unfall im schnellen Brüter Ende 1995.

Dennoch hätten Sicherheitsbedenken allein dieses AKW nie zu Fall gebracht. Maki nämlich liegt im konservativen Kernland Japans, wo die Honoratioren der Liberaldemokraten seit Jahrzehnten uneingeschränkt regieren. Japan ist hier Japan, wie es traditionsreicher und korrupter nicht sein könnte. Es bedurfte deshalb schon einer kleinen Revolution vor Ort, in der eine junge demokratische Elite gegen die Väter des Wirtschaftswunders aufbegehrte. Den Aufständischen kam dabei zu Hilfe, daß sich Maki durch die Nähe der Großstadt Niigata langsam in eine urbane Vorstadt verwandelt. Die Zugezogenen fühlen sich nicht den alten politischen Bindungen unterworfen – aus dem gleichen Grund sagt heute die Mehrheit der JapanerInnen, daß sie keiner der etablierten Parteien nahestehen.

Ähnliche Hoffnungen, die nun der Sieg in Maki in Japan auslöst, begleiteten vor drei Jahren den kurzlebigen Machtwechsel unter Reformpremier Hosokawa. Damals scheiterte die Bürgerrevolution an den Machtapparaten in Tokio. Ministerien, Parteien und große Konzeren arbeiten in der Hauptstadt zwar nicht mehr so eng zusammen wie früher, doch ist ihr Einfluß immer noch groß genug, um die bisher neu entstandenen politischen Kräfte zu integrieren. Aufrufe zu Referenden wie in Maki sind deshalb auch eine Konsequenz aus dem Fehlschlag der Tokioter Opposition. Die demokratische Erneuerung hat heute in Japan – wie in Deutschland – auf lokaler Ebene größere Chancen als in der Hauptstadt. Georg Blume