Die EU macht in Mostar das Licht aus

Die Zeichen für eine Wiedervereinigung der Hauptstadt der Herzegowina stehen schlecht. Heute wird in Brüssel beraten, ob die EU-Administration nun endgültig das Handtuch wirft  ■ Aus Split Erich Rathfelder

„Wir beenden die laufenden Projekte, bezahlen noch unsere Rechnungen und machen die Lichter aus“, erklärten gestern Vertreter der Administration der Europäischen Union in Mostar. Nachdem es am Samstag abend immer noch nicht möglich gewesen war, die kroatische Seite zum Einlenken zu bringen, möchte die EU- Administration das Handtuch werfen. Sir Martin Garrod, der die Geschäfte führt, ist resigniert. Die EU-Administration und damit der Auftrag der EU, die geteilte herzegowinische Hauptstadt wieder zu vereinen, scheint gescheitert.

Heute wird in Brüssel über das Engagement der EU entschieden. Zwar hatte US-Präsident Bill Clinton den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman bei dessen Besuch in Washington am Wochenende dazu bewegt, mit einer Fristverlängerung bis zum Donnerstag dieser Woche noch Einiges offenzuhalten. Bis dahin wolle Kroatien Einfluß auf die bosnischen Kroaten nehmen, versprach Tudjman. Doch die Zeichen stehen schlecht. Der Ablauf der jüngsten Ereignisse scheint zu belegen, daß die Führung der bosnischen Kroaten nicht mehr daran interessiert ist, mit der EU zusammenzuarbeiten.

Am Samstag brüteten die Vertreter der kroatischen und muslimischen Seite hinter verschlossenen Türen über einen Kompromiß. Sir Martin Garrod hatte dazu ein Papier vorbereitet, mit dem die kroatische Seite endlich dazu bewegt werden sollte, doch noch das Ergebnis der Wahlen vom 30. Juni anzuerkennen. Indem die Administration sich damit einverstanden erklärte, daß die kroatische Seite das Verfassungsgericht in Bosnien-Herzegowina anruft, um die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen zu klären — es handelt sich dabei um 26 Stimmen aus Deutschland —, wollte sie die Kroaten doch noch dazu bewegen, an der Wahl eines Bürgermeisters teilzunehmen. Weiterhin sollte das Stadtparlament lediglich zu diesem Zweck zusammentreten. Um der kroatischen Kritik entgegenzukommen, sollte die nächste Sitzung erst nach dem Schiedsspruch des Gerichtes stattfinden.

Hätten die Kroaten das Papier unterschrieben, wäre die Mission der EU weitergegangen. Doch der Bürgermeister des kroatischen Westteils, Milo Brajković, zog einen eigenen Vorschlag aus der Tasche, der die Wahl eines „zeitweiligen“ Bürgermeisters beinhaltete. Dies wollten jedoch die Unterhändler der EU wie die der muslimischen Ostseite nicht akzeptieren. Die Ostseite argumentierte, man habe schon sogleich nach den Wahlen Verständnis für die kroatische Seite gezeigt. Ostbürgermeister Orusević hatte damals nämlich vorgeschlagen, daß trotz der Wahlniederlage der kroatischen Nationalpartei HDZ und dem Stimmenübergewicht der Muslime im Stadtparlament (21 zu 16) ein Kroate Bürgermeister der vereinten Stadt werden sollte.

Noch sind nicht alle Türen zugeschlagen. Donnerstag ist aber definitiv der letzte Termin für eine Klärung des kroatischen Standpunktes. Würden die bosnischen Kroaten auf ihrer bisherigen Position beharren, stünde nicht nur die Administration der EU vor dem Aus, sondern es wäre auch das gesamte Abkommen von Dayton gefährdet. Deshalb versuchte Clinton auf Tudjman einzuwirken. Denn über seinen Vizepräsidenten und Verteidigungsminister Gojko Susak verfügt dieser über einen direkten Draht zu der Führung der Kroaten der Westherzegowina, die gleichzeitig den kroatischen und nicht anerkannten Staat Herceg-Bosna beherrschen.

Nach der Absprache in Washington sollte Herceg-Bosna aufgelöst werden und in der Föderation mit den muslimisch dominierten Gebieten Bosniens aufgehen. Erste Schritte dafür soll die Auflösung der Polizei und der Grenzorgane sein. Beide sollen mit den entsprechenden Institutionen der muslimischen Seite vereinigt werden. Auch die Armeen beider Seiten sollen verschmelzen. Ein gemeinsames Oberkommando besteht schon, weil die USA Waffenlieferungen von dem Zusammenschluß der beiden Armeen abhängig gemacht hatten.

Skepsis ist angebracht. Angekündigt wurden die genannten Schritte schon mehrmals, geschehen ist nichts. Im Gegenteil haben sich neue Spannungen zwischen Muslimen und Kroaten in Bosnien entwickelt. Im muslimisch dominierten Bugojno wurde vorige Woche eine katholische Kirche zerstört, im kroatisch dominierten Prozor eine Moschee. Weiterhin verhindern beide Seiten die Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimat.

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