Reichtum soll sich wieder lohnen

Mit Hilfe von Abschreibungsmöglichkeiten sparen UnternehmerInnen beträchtliche Steuersummen. Das private Dienstmädchen verhilft ihnen künftig zu weiteren Steuererleichterungen  ■ Von Marianne Schwan

Wußten Sie, daß Sie selbst eine Motoryacht in manchen Fällen steuerlich absetzen können? Deklarieren Sie das Schiff doch einfach als „schwimmendes Konferenzzimmer“. Schon können Sie bei Ihrer Einkommensteuererklärung Steuern sparen. Natürlich nur, wenn Sie selbständig sind. Grundsätzlich haben alle SteuerzahlerInnen das Recht, ihre Einnahmen und Ausgaben so zu gestalten, daß sie weniger Steuern zahlen. Es steht Ihnen also frei, etwa ein renovierungsbedürftiges Dreifamilienhaus zu kaufen. Nicht nur die Stuckfassade im Jugendstil lassen Sie restaurieren, auch die Wohnungen werden grundlegend saniert. Über mehrere Jahre sammeln sich so erhebliche Verluste an, die Ihre Steuerzahlungen erfreulich mindern. Wenn Sie das Haus später wieder verkaufen, stecken Sie auch den Gewinn ein – denn der ist steuerfrei.

Zu den klassischen Steuergestaltungsmethoden von UnternehmerInnen gehören vor allem Abschreibungen, neu ist hier die Ansparabschreibung. Dabei können bereits Kosten abgeschrieben werden, die noch gar nicht ausgegeben wurden. Plant eine Unternehmerin etwa, im übernächsten Jahr ein Firmenauto für 120.000 Mark zu kaufen, so kann sie diese Investition schon heute steuerlich geltend machen. 60.000 Mark kann sie als Ansparabschreibung verbuchen; die Unternehmerin spart summa summarum runde 30.000 Mark Steuern. Selbstredend hat sie sich damit keineswegs verpflichtet, in zwei Jahren tatsächlich ein Auto zu kaufen. Die 60.000 Mark Ansparabschreibung muß sie ihrer Bilanz dann zwar mit einer Zulage von sechs Prozent wieder gutschreiben. Doch sicherlich hat ihr Steuerberater längst andere Abschreibungsmöglichkeiten gefunden, um den Bilanzgewinn erneut steuerlich günstig zu verbuchen.

In den vergangenen 35 Jahren haben sich die Anteile der verschiedenen Steuerarten an den gesamten Steuereinnahmen grundlegend verschoben. So verringerte sich der Anteil der Körperschaftsteuer – die Einkommensteuer der Kapitalgesellschaften – im Vergleich zu 1961 auf etwa ein Drittel, der Teil der Einkommensteuer ging auf rund ein Viertel zurück. Gleichzeitig verdreifachte sich der Beitrag der Lohnsteuer. 1961 lagen die Einkommensteuerzahlungen von Unternehmern und Vermögenden also noch höher als die Lohnsteuerzahlungen. Heute ist das Lohnsteueraufkommen zehnmal so hoch wie das der Einkommensteuer.

Die Ursachen für diese Veränderungen sind vielfältig. Ursprünglich wurde der progressiv ansteigende Einkommensteuertarif nur auf sehr hohe Einkommen angewendet. 90 Prozent der Erwerbstätigen zahlten in den fünfziger und sechziger Jahren einen gleichbleibenden Steuersatz unterhalb der Progressionszone. Allein dadurch, daß sich der Tarifverlauf über Jahrzehnte nicht veränderte, fallen heute sämtliche Einkommen, die über dem steuerfreien Existenzminimum liegen, in die Steuerprogression. Zu dem wachsenden Lohnsteueraufkommen tragen immer mehr Frauen bei, auch solche mit sehr geringem Einkommen, während die Hälfte der Vermögensmillionäre überhaupt keine Einkommensteuer mehr zahlt.

Das Steuerrecht trägt zudem maßgeblich dazu bei, wachsende Einkommens- und Vermögensteile auf wenige zu konzentrieren. So lebt mit dem Jahressteuergesetz 1997 der nahezu ausgestorbene Beruf des Dienstmädchens wieder auf. Erwerbstätige Eltern können die Kosten für die Kinderbetreuung außer Haus in der Regel steuerlich überhaupt nicht absetzen. Alleinerziehenden wird ein kleinkarierter Pauschalabzug in Höhe von 480 Mark pro Kind und Jahr gewährt; belegen sie die Kinderbetreuungskosten, so können sie für das erste Kind maximal 4.000 Mark pro Jahr steuerlich geltend machen, für jedes weitere Kind noch einmal 2.000 Mark – wobei auch diese Beträge noch beschränkt werden können. Diejenigen aber, die sich ein Dienstmädchen leisten, können künftig 24.000 Mark pro Jahr für deren Dienste steuerlich absetzen. Arbeitsminister Blüm verspricht sich von der Ausweitung des Dienstmädchenprivilegs eine Million neuer Arbeitsplätze für Frauen.

Auch bei der Erbschaftsteuer sollen Vermögende künftig begünstigt werden. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muß das „persönliche Gebrauchsvermögen“ eines Erben steuerfrei bleiben und sich am Wert „eines durchschnittlichen Einfamilienhauses“ orientieren. Im Jahressteuergesetz 1997 gestalteten Finanzpolitiker diesen Wert nach eigenem Gutdünken. Geplant ist nun, daß EhegattIn und zwei Kinder künftig drei Millionen Mark steuerfrei erben dürfen. Nicht verheiratete LebensgefährtInnen müssen bereits für sehr viel geringere Erbschaften erhebliche Steuern zahlen.

Außerdem soll zum Zweck der „Steuervereinfachung“ die Vermögensteuer abgeschafft werden. Zur Begründung heißt es: Der Spitzensteuersatz von 53 Prozent in der Einkommensteuer würde zusammen mit der Vermögensteuer zu einem verfassungswidrigen Zugriff des Staates auf mehr als die Hälfte der Einkommen der Besserverdienenden führen. Nun könnte dasselbe Argument treffender zur Steuerentlastung von ArbeitnehmerInnen führen. Denn gerade diesem Bevölkerungsteil nimmt der Staat nicht selten tatsächlich mehr als die Hälfte der viel niedrigeren Einkommen über Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ab. Vergessen wird dabei auch, daß nirgendwo in der Welt der nominale Steuersatz von den tatsächlich gezahlten Steuerbeträgen der Reichen so sehr auseinanderklafft wie bei uns. Aber unverdrossen werden Vermögende weiter entlastet, um die Kosten erneut Familien mit Kindern und ArbeitnehmerInnen aufzubürden – ganz nach dem Motto: Reichtum soll sich wieder lohnen.

Zum Weiterlesen: Marianne Schwan: „Milchmädchens Rache. Eine Abrechnung mit dem von Männern gemachten Steuerrecht“. Eichborn Verlag, 1996. 24,80 DM