Zurücklehnen, Cognac trinken

■ „Pearly Passion“ haben auf ihrer ersten CD „Moonraker“ traditionelle Jazz-Arrangements mit TripHop-Beats verschmolzen

„Die Verschwörer haben Blues und Reggae in die Welt gebracht, damit sich die Menschen zu Tode langweilen“, weiß Nathan Paulsen, Pianist des Bremer Glitter-Jazz Duos „Pearly Passion“. Damit der Welt die Augen geöffnet werden, haben er und Sängerin Kate Pearl die profundesten Erkenntnisse ihrer bisherigen Leben im Klappcover ihrer ersten CD „Moonraker“, dieser Tage bei „Divolo Records“ erschienen, schriftlich festgehalten. „Wenn zwei Mannschaften um den Ball kämpfen, dann ist das Fußball. Nur fair muß es zugehen“, gehört ebenso zu diesen Erkenntnissen wie „Liebe deinen nächsten wie dich selbst.“

Der Tonträger selbst kämpft mit einer geballten Ladung Standards und vereinzelten Eigenkompositionen gegen Blues und Reggae, aber für mehr Liebe und Fairneß. Tonnenweise von beidem letzteren ist auch notwendig, wenn man alte Gassenhauer wie „Caravan“ oder „My Way“ in eigenem Gewand darbieten möchte, ohne ihnen Gewalt anzutun. Im Falle von „Caravan“ gelingt es dadurch, daß die Band mit der Geschwindigkeit einer Autoverfolgungsjagd durchs Arrangement rast, dabei aber zielgerichtet und unbeschadet bleibt. „My Way“ wird zwar nichts grundsätzlich Neues hinzugefügt, aber Kate Pearl schmettert den Text mit einer Inbrunst, als hätte sie ihn gerade eben erst für sich selbst und niemanden sonst geschrieben.

Musikalisch gewagter ging man an „The Greatest Love of All“. Was bei Whitney Houston zu einem prototypischen Schmachtfetzen wurde, verarbeiten „Pearly Passion“ zu einem flotten Tango. So flott gar, daß gemeine Freizeittanzpaare Schwierigkeiten haben dürften, eine angemessene Sohle aufs Parkett zu legen. Tanzen soll man zu dieser Musik sowieso nicht, sondern sich zurücklehnen und Cognac trinken, wie uns das gesprochene Intro instruiert. Das kann man am besten zu den Eigenkompositionen, wie dem sehnsüchtig hingehauchten Titelstück oder dem modern arrangierten „November Night“. Hier hat sich „Saprize“-DJ Gregcore, der mit Kate neulich das TripHop-Projekt „Czech“ aus der Taufe hob, mit seiner Maschinerie eingestöpselt. Dementsprechend fiept, schabt und gniddelt es im Groove, der trippig gegen den Takt programmiert wurde, dabei aber so regelmäßig daherkommt, daß diese Widerspenstigkeit letztendlich zum Takt wird.

Überhaupt wird das Album immer dann am schönsten, wenn mit klassischen Arrangements gebrochen wird. So amüsiert „Bewitched“ mit einer witzig eingesprenkelten Hammond-Orgel, und der Moog-Synthesizer liefert einen durch Mark und Bein brummenden Klangteppich für die „Pearly Passion“-Version von „Besame mucho“, die zudem durch Kate Pearls gefauchtes Spanisch zu einem Höhepunkt von „Moonraker“ wird. Wer es lieber traditionell mag, kommt ebenfalls auf seine Kosten. „Einfach nur die Tasten drücken, das ist noch kein Klavierspielen. Sie müssen schon auch die Fußpedale treten“, belehrt Nathan Paulsen im Booklet und demonstriert ausgiebig, wie es geht. Begleitet wird er dabei oft von einem Ensemble, zu dem u. a. Violinistin Birgit Wülbers gehört, die noch von Paulsens kürzlichem Caféhaus-Musikabend im „Bistro Brazil“ in angenehmer Erinnerung ist. Hier geigt sie beispielsweise die Romantik in „Love Me Tender“ hinein. Jetzt müßten „Pearly Passion“ ihre CD nur noch in Reggae- und Blues-Tarn-Covers in den Handel schmuggeln, und die Verschwörung der Langeweile könnte zerschlagen werden.

Andreas Neuenkirchen