■ Mostar-Krise: Die EU muß Tudjman unter Druck setzen
: Der Schlüssel liegt in Zagreb

Die Krise um Mostar beleuchtet schlagartig die bittere Realität in Bosnien-Herzegowina. Der zivile Friedensprozeß bleibt weit hinter den Erwartungen und dem Zeitplan zurück. Dem massiven Ifor-Aufgebot ist es zwar gelungen, den Krieg zu ersticken, aber die Soldaten können die Menschen nicht zwingen, eine politische Ordnung aufzubauen, die sie – oder wenigstens ihre politischen Führer – nicht wollen.

In Mostar wollte die Europäische Union ein Beispiel dafür schaffen, wie Versöhnung und Wiederaufbau gelingen können. Auch wenn im letzten Moment ein Kompromiß gefunden werden sollte, der verhindert, daß Mostar eine geteilte Stadt wird, so müssen doch die Zweifel überwiegen, ob ein solcher Kompromiß halten kann. In Mostar mischen sich nationalistische Verblendung, Revanchebedürfnisse und Gangstertum in einer fast hoffnungslosen Weise. In der Stadt selbst sind die Möglichkeiten der Europäischen Union ausgereizt. Außer der Drohung mit dem Abzug, der für die EU gewiß gefährlicher ist als für die kroatische Seite, stehen ihr in der Stadt keine Druckmittel zur Verfügung.

Der Schlüssel liegt auch nicht in Mostar, sondern in Zagreb. Tudjmans Parteifreunde in Mostar handeln nicht unabhängig. Sie sind lediglich Bauern auf dem Schachbrett des kroatischen Präsidenten. Dieser wendet die Taktik an, die schon die Serben erfolgreich praktiziert haben: Krisen werden produziert, um schließlich für sich selbst mehr herauszuholen, als die internationale Gemeinschaft zugestanden hat.

Erst allmählich begreift die deutsche Politik, daß man im ehemaligen Jugoslawien nicht wie in den guten alten Western die Guten und die Bösen an der Farbe der Hüte unterscheiden kann. Zu lange hat die Bundesregierung sich als Schutzpatron für Tudjman verstanden. Gegenleistungen hat sie nicht erhalten. Wenn überhaupt, dann läßt sich Tudjman Konzessionen von den USA abhandeln. Und das ist bitter für die Ansprüche der EU.

Soll der Friedensprozeß nicht insgesamt scheitern, dann muß auch gegenüber der kroatischen Führung strikte Konditionalität herrschen: Hilfe nur, wenn Kroatien seine in Dayton übernommenen Verpflichtungen haarklein erfüllt. Je eher die Bundesregierung ihre Illusionen vom Freund Tudjman aufgibt, desto eher wird wirkungsvoller Druck auf ihn ausgeübt werden können. Günter Verheugen

Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und dort zuständig für die Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik