Ehemaliger Stasi-Offizier als Zeuge vor Gericht

■ Im Prozeß gegen den Carlos-Mann Weinrich sagte gestern Helmut Voigt aus

Berlin (taz) – Der Mann hat seine Rolle gefunden: Er redet viel und belastet wenig. Helmut Voigt, Jahrgang 1942 und in einem früheren Leben Offizier der Staatssicherheit, parliert über vergangene Tage, über seinen langjährigen Job als Terrorbekämpfer in Erich Mielkes Diensten. Aufgeboten ist der Ingenieur und Diplomjurist vor dem Berliner Landgericht als gewichtiger Zeuge. Voigt soll gegen den Hauptbeschuldigten Johannes Weinrich, zuerst Mitglied der deutschen „Revolutionären Zellen“ und später rechte Hand des mittlerweile in Paris inhaftierten Terroristen Carlos, aussagen. Verhandelt wird wegen des Sprengstoffanschlags auf die französische Kultureinrichtung „Maison de France“ in Westberlin am 25. August 1983. Weinrich, das behaupten die Anklagevertreter, war der Drahtzieher dieses Terroraktes, bei dem ein Mann starb und zwei Dutzend Menschen zum Teil schwer verletzt wurden.

Der Zeuge macht es den Anklägern nicht leicht: Einerseits habe die Stasi deutliche Indizien dafür gehabt, „daß die Gruppe um Weinrich mit dem Anschlag zu tun hatte“. Andererseits sei Weinrich nach Erkenntnissen der Stasi aber nicht direkt beteiligt gewesen. Weinrich sei zwischen 1979 und 1984 „mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit“ nicht in West-Berlin gewesen.

Sicher ist hingegen, daß Weinrich Ende Mai 1982 bei seiner Einreise in Ost-Berlin 24 Kilo Sprengstoff im Gepäck hatte. Die Stasi nahm den Höllenstoff in Gewahrsam – und rückte ihn über ein Jahr später am Vorabend des Anschlages wieder an Weinrich heraus. Der jetzt Angeklagte, sagt Voigt, habe damals angegeben, er wolle den Sprengstoff über die syrische Botschaft in Ostberlin einer Befreiungsbewegung im arabischen Raum zukommen lassen.

Helmut Voigt wurde 1994 wegen Beihilfe zum Mord zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Er war, so das Urteil des Berliner Landgericht, wegen der Übergabe des Sprengstoffes mitverantwortlich für den Anschlag auf das Maison de France. Voigt sieht das anders: Für ihn ist nach wie vor offen, ob der an Weinrich ausgehändigte Sprengstoff tatsächlich bei dem Attentat benutzt wurde. Wie damals der Stasi, sei den Ermittlern auch heute nicht bekannt, wie der Sprengstoff von Ost- nach West- Berlin gelangt sein soll.

Weinrich habe in einem Gespräch am Tag nach dem Anschlag jede Verantwortung dafür bestritten, sagt Voigt weiter. Er habe die Tat der armenischen Gruppe „Asala“ in die Schuhe geschoben. Ursprünglich sei auch er, Voigt, von einer Urheberschaft der „Asala“ ausgegangen. Wenig später hätten sich dann aber die Hinweise „verdichtet“, daß die Gruppe um Weinrich hinter dem Anschlag gestanden habe. Zu diesen Hinweisen gehöre auch ein Brief von „Carlos“, in dem dieser die Verantwortung für die Tat übernommen hat. Paul Neumann