■ Mostar sollte die Musterstadt werden: Ein Paradebeispiel für den Wiederaufbau Bosniens und für eine neue, gemeinsame EU-Außenpolitik. Doch nach einer diplomatischen Hängepartie und dem Widerstand Kroatiens droht das Projekt zu scheitern
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Mostar sollte die Musterstadt werden: Ein Paradebeispiel für den Wiederaufbau Bosniens und für eine neue, gemeinsame EU-Außenpolitik. Doch nach einer diplomatischen Hängepartie und dem Widerstand Kroatiens droht das Projekt zu scheitern

Das ständige Spiel von Drohen und Nachgeben

Die Europäische Union bereitete sich gestern auf das Scheitern ihrer Friedensbemühungen in Mostar und den Rückzug ihrer Verwaltung aus der bosnischen Gebietshauptstadt vor. Zwar stand die endgültige Entscheidung bis zum Abend noch aus, doch die Hoffnung auf eine Einigung zwischen bosnischen Kroaten und Muslimen über die Wahl des Bürgermeisters war im Laufe des Tages dünn geworden.

Das erste Ultimatum war Samstag nacht ergebnislos verstrichen. Die EU hatte gedroht, den seit zwei Jahren mit EU-Geldern und unter EU-Verwaltung vorangetriebenen Wiederaufbau der Stadt Mostar abzubrechen, wenn die Kroaten das Ergebnis der Kommunalwahlen vom Juni nicht anerkennen würden. Die bosnischen Kroaten, die in der Vergangenheit nur unter dem Druck der EU zu einer notdürftigen Zusammenarbeit mit den Muslimen bereit waren, wollen die für Donnerstag geplante Ernennung eines gemeinsamen Bürgermeisters im Stadtrat von Mostar boykottieren. Sie behaupten, es habe Unregelmäßigkeiten bei der Wahl des Stadtrats gegeben.

Weil sich Muslime und Kroaten nicht über eine Frist für die Überprüfung dieser Wahl einigen konnten, verlängerte die EU schließlich ihr Ultimatum bis Montag abend 19 Uhr. Die beiden Parteien seien sich bereits sehr nahegekommen, versicherte der stellvertretende Sonderbeauftragte der EU, Michael Steiner. Sein Chef, der Sonderbeauftragte Sir Martin Garrod, war gestern pessimistisch: „Beide Seiten können sich nicht einigen.“

Für die EU ist der Aufbau einer von Kroaten und Muslimen gemeinsam geführten Verwaltung in Mostar nicht nur der Prüfstein für die Tragfähigkeit des Dayton-Abkommens, das eine muslimisch- kroatische Föderation für ganz Bosnien vorsieht. Die EU sieht im Wiederaufbau von Mostar auch ihren bisher größten Einsatz im Rahmen der in Maastricht beschlossenen gemeinsamen EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Sie hat in den vergangenen zwei Jahren rund 300 Millionen Mark in das Projekt gesteckt. Ein Scheitern wäre ein schwerer Rückschlag für die EU.

Die Möglichkeiten der Europäischen Union, Druck auf die bosnischen Kroaten auszuüben, sind begrenzt. Ein Rückzug der EU-Administration aus Mostar käme den Kroaten entgegen, weil dadurch eine endgültige Teilung der Stadt wahrscheinlicher und sie ihrem Ziel einer großkroatischen Föderation mit Zagreb einen großen Schritt näherbringen würde. Die Europäische Union lehnt diese Art der ethnischen Trennung ab, weil sie zu neuen Minderheitenproblemen in beiden bosnischen Teilstaaten führen würde.

Ein wichtiger Schlüssel für die Lösung liegt in Zagreb, wo Kroatiens Präsident Franjo Tudjman nach wie vor von einem Anschluß der kroatischen Gebiete Bosniens an sein Land träumt. Die gemeinsame Verwaltung von Mostar steht ihm dabei genauso im Weg wie das gesamte Dayton-Abkommen. Nicht nur die EU, auch die USA richten deshalb ihren politischen Druck auf Zagreb. Anders als die EU, die wie üblich auf kritischen Dialog setzt, haben die USA mit der diplomatischen Isolierung Kroatiens gedroht, wenn Tudjman seine Unterstützung für die Hardliner unter den bosnischen Kroaten nicht zurückzieht. In der EU ist es vor allem die deutsche Regierung, die sich gegen eine härtere Gangart gegenüber Kroatien sträubt. Alois Berger, Brüssel