Dreimal lebenslänglich

■ Imperial Theater: Die Jakob's Singers malträtieren den deutschen Schlager

Der deutsche Schlager der 70er Jahre gleicht einem Hochsicherheitstrakt: im Straffall Gefühl. Entkommen nur unter Todesstrafe. Im Versverlauf zeichnet sich das Handlungsmotiv „allein sein, allein sein, zu zweit sein, betrügen, bereuen und wieder allein sein“ ab.

Nach zwanzig Jahren ist einer Revision dieses Elends durchaus zuzustimmen. Die fand am Sonntag im Imperial-Theater statt unter dem Motto: „Wunder gibt es immer wieder“, aufgeführt von den Jakob's-Singers in ihrer erbarmungslosen 70er Jahre-Revue. Mit etwas distanzierteren Interpreten wären wir sicher zu einem milderen Urteil gelangt, aber nach dieser Show plädieren wir für dreimal lebenslänglich Zuchthaus für den deutschen Schlager!

Ein ziemlich ausgebufftes Quartett bedrohte circa eineinhalb Stunden das Publikum. Ein sehr dicker Herr in schlecht geschnittenem Schlaghosenanzug gab mit offenem Hemd „Ti amo“ von Howard Carpendale. „Werden die Tage auch schwer sein (bei dem Gewicht eh), werden die Nächte auch leer sein, ti amo!“ Das war schon eklig.

Die beiden Frauen im Quartett übernahmen zwischenzeitlich die Assistenz, wie wir sie aus Peter Frankenfeld-Shows kennen. Die Publikumskärtchen mit Wunschliedern wurden von „Silke Sue“ und „Alexandra“ je nach Lust und Laune gezogen oder auch verworfen. War aber immer noch besser als Alexandras aggressive Soli. Gittes Spätheimkehrerbegrüßung: „Ich überlebs, hau endlich ab, dort ist die Tür, mach daß Du rauskommst, was willst Du denn noch hier...„ bellte sie so schneidend in den Raum, daß man den Notausgang suchte. Gitte hatte diesen Emanzipationssong in Zeiten gesungen, als der Wunsch „Ich will so bleiben wie ich bin“ noch nicht von einer Margarinefirma gesponsert wurde, sondern mit „Du bleibst hier!“ gekontert wurde. Heute kommt die Wortwahl eher strapaziös an.

Sträflichster Höhepunkt des Programms bildete allerdings der Song von Juliane Werding: „Rocky“. Diese Ballade um eine sterbende Mutter mündete in eine schleimige Päderasten-Nummer, der man angesichts des Dicken und der Bösen nicht mehr folgen mochte.

Es gab auch harmlose Erho-lungspausen mit dem „Jungen mit der Mundharmonika“, der die Barke mit der gläsernen Fracht rumschippert, worüber man gerne noch mal nachdenkt. Doch daß es nicht reicht, distanzlos alte Schlager abzunudeln, beweist Alsterradio täglich. Mit ihrer Schmuddeltour bewiesen die Jakob's-Singers nur, daß der deutsche Schlager einfach verfickt verklemmt ist. Elsa Freese