Der Autodealer als Kultur-Stifter

■ Unbemerkt von der Öffentlichkeit fördert die Waldemar-Koch-Stiftung für 1,5 Mio Mark Bremer Kultur und macht so Politik

Schön, daß die Deutschen viel Geld für Autos ausgeben. Und das seit Jahren.

Hätte es Fahrradboom, „Stadt Auto“ oder gar das Projekt „autofreie Stadt“ schon früher gegeben, was hätten wir alles verpaßt: zugeparkte Städte, den Stau am Freitagnachmittag und vor allen Dingen die Erfolgsgeschichte des größten Bremer Autohändlers „Schmidt + Koch“.

Waldemar Koch ist nicht irgendwer. 1.800 Mitarbeiter hatte sein vielverzweigter Autohandel schon 1965. Der Umsatz erreichte schon damals fast 200 Millionen Mark. Die Erträge waren immens und flossen in eine Stiftung. Heute nach dem Tode seiner Frau können aus den Zinsen des Kapitals jährlich um die 1,5 Mio Mark ausgeschüttet kann. Damit ist die Waldemar-Koch-Stiftung nach der „Stiftung wohnliche Stadt“, die die Erlöse der Spielbank verteilt, die größte Bremer Stiftung. Dennoch kennt kaum einer den Namen des Spenders, der in den letzten Jahren verstärkt dazu beitrug, daß manche Kulturprojekte überhaupt erst möglich wurden. Das ist keine falsche Bescheidenheit, sondern liegt in der Natur der Sache. „Wir sind kein Sponsor, der ständig auf Präsenz und Werbung achten muß. Wir fördern eher wie ein Mäzen“, sagt Dr. Arno Lehmann, der sich ehrenamtlich um die Finanzen der Stiftung kümmert. Doch das Wirken im Verborgenen soll nicht dazu dienen, Löcher zu stopfen, für die die öffentliche Hand zuständig wäre. Im Gegenteil, man ist sich einer kulturpolitischen Verantwortung bewußt. Im Zweifelsfall wird die Förderung davon abhängig gemacht, daß auch die Senatorin mitzieht. So ist es dem Jungen Theater gelungen, in die institutionelle Förderung zu kommen.

Alternative Theatergruppen zu fördern, die Kunsttherapie des Blaumeierprojekts zu stützen und den Sprachunterricht in Kasachisch für Pfadfinder aus Oldenburg zu finanzieren - ob sich der Bremer Autohändler die Verwendung des von ihm geschaffenen Reichtums so vorstellte?

Zu Lebzeiten galt der Kaufmann, als „extrem sparsam, vorsichtig gesagt“, faßt Arno Lehmann, der heute als einer der drei Kuratoren die Förderungswürdigkeit überprüft, seine Erinnerungen zusammen. Ein Fontane-Zitat kann bei der ehrerbietigen Erinnerung helfen: „Geizhälse sind die Plage ihrer Zeitgenossen, aber das Entzücken ihrer Erben.“ 1891 geboren, lebte der Gründer des größten Bremer Autohauses entsprechend dem Lebensgefühl seiner Epoche. Prunk galt als unfein. Bei Kochs wurde das Geld zusammengehalten. Das paßt auch zur Entstehungsgeschichte des Imperiums; schießlich ist nichts ererbt, sondern alles selbst verdient. Möglich wurde das durch Waldemar Kochs Gespür für den zukünftigen Markt, seinen Weitblick. 1912 absolvierte er eine Lehre im Bremer Fahrradhaus vor dem Steintor 112. Doch während seine Kunden noch in die Pedale traten, erwarb er Führerscheine für Motorrad und für Klasse III, anschließend gleich noch den Fahrlehrerschein. Er fährt Motor-Sport-Ralleys und gründete1926 das Bremer Fahrzeughaus „Schmidt + Koch“. Zwanzig Jahre später, 1946, als der PKW zum populären Fortbewegungsmittel wurde, sicherte er sich die Vertretung für Volkswagen. Eine Goldgrube, die auf vier Rädern rollte und Käfer hieß.

Was Waldemar Koch in der Nachkriegszeit mit 60 VW-Niederlassungen im norddeutschen Raum verdiente, wurde weder verlebt noch vererbt. Im Gegenteil: durch eine beträchtliche Beteiligung an den Aktien des immer noch erfolgreichen Autohauses vermehrt sich das Stiftungsvermögen noch heute weiter. Das ermöglicht den drei Kuratoren, die seit dem Tode des Stifters 1981 die Entscheidungen über die Vergabe der Gelder treffen, einen reichen Fluß an Zuwendungen auszuteilen. Zu berücksichtigen haben sie dabei drei Kriterien: Neben karitativen, gesundheitlichen und kulturellen Zwecken hatte Koch sich die Pflege „internationaler Beziehungen im Geiste der Völkerverständigung“ auf die Fahnen geschrieben. „Ein ungewöhnlich weitreichendes Ziel“, findet Arno Lehmann, der sich als ehrenamtlicher Kurator um die Finanzen der Stiftung kümmert. Der Dipl.Ingenieur und Kaufmann Hermann Mende hat sich hingegen auf die Recherche verlegt. Bei der Koch-Stiftung ist schnelle unbürokratische Hilfe möglich. „Wann immer hier ein Antrag auf Förderung ein- geht, fahre ich hin und schaue mir an, wie das Projekt aussieht, was mit dem Geld gemacht werden soll. Auf diese Art lernt man die Stadt von einer ganz neuen Seite kennen.“

Schließlich gehen fast täglich Anträge ein, aber das meiste scheidet gleich aus. Weder das Hobby eines Pensionärs, der Ovids Metamorphosen übersetzt, will man fördern noch kunsthistorische Dissertationen aus Regensburg. Bremisch soll es sein und gemeinnützig und möglichst bleibend. Auch wenn die entsprechende Kunstproduktion nicht den Geschmack des Autohändlers in den 60ern getroffen haben mag. Heute enthält sich die Förderungskommission jeglicher Einflußnahme und springt auch mal über den eigenen Schatten. „Als wir zum ersten Mal von den Blaumeierleuten hörten, fielenVorurteile wie 'linke Spinner'. Aber die Aufführungen haben uns vollstän-dig überzeugt“, sagt Hermann Mende. Zum 10jährigen Jubiläum hat die Stiftung die Musikgruppen aus England bezahlt und die Rahmung der Bilder von Blaumeier-Malern. Entscheidet sich die Stiftung für ein repräsentatives Projekt, wie etwa die Mittel zum Umbau der Ostertorwache für die Wilhelm Wagenfeld-Stiftung, dann legt man Wert darauf, daß der Stifter auf einer Plakette verewigt wird. Bei einem Betrag von 4,5 Millionen, die mehr als das doppelte der jährlichen Fördersumme sind, ist das wohl nicht zuviel verlangt.

Im allgemeinen sind die Fördersummen jedoch viel kleiner, und die Stiftung betrachtet sich nicht nur als barmherziger Spender sondern sieht die Unterstützung im kulturpolitischen Zusammenhang. „Wenn Senatorin Kahrs die Löhne für das Theater nicht mehr zahlt, dann ist es nicht unsere Aufgabe, ihr dabei zu helfen“, grenzt Arno Lehmann die Stiftungszwecke ab. Die Macht, die man mit der Vergabe von sechsstelligen Beträgen hat, will man nutzen. Das Ziel ist, die Öffentliche Hand an ihre Aufgaben in der Kulturförderung zu erinnern und nicht aus der Verantwortung zu entlassen. So entstehen Förderungen, die die Senatorin als in Zugzwang bringen: „Manchmal muß man so viel Geld geben, daß die andere Seite es nicht ablehnen kann, ohne das Gesicht zu verlieren“, verrät Arno Lehmann die kulturpolitische Strategie der Bremer Kaufleute.

Diese Verbindung aus Mäzenatentum und indirekter Kulturpolitik ist der Waldemar-Koch-Stiftung in den letzten Monaten einmal beispielhaft gelungen. Als das Junge Theater in der Friesenstraße um Hilfe und Unterstützung rief, selbst schon einen privaten Fond gegründet hatte, da sagte man die Summe 100. 000 Mark zu. Allerdings unter einer öffentlich gemachten Bedingung: Die Stiftung wollte das Geld nur geben, wenn Kultursenatorin Kahrs sich endlich dazu bequemte, dem freien Theater eine institutionelle Förderung zuzusichern. Der gewünschte Effekt trat ein: Das Junge Theater überlebte.

Susanne Raubold