Korrupte Spots

Zum Ärger der Zeitungsverleger erhält der französische Privatsender TF1 mehr Werbezeit  ■ Von Dorothea Hahn

Vor zehn Jahren protestierten Tausende – darunter Filmemacher von Alain Resnais bis Claude Chabrol – gegen die Privatisierung der größten und populärsten französische Fernsehanstalt TF1. Doch der damalige Premierminister Jacques Chirac sorgte dafür, daß sein Dekret ohne Verzögerung umgesetzt wurde.

Heute, da die Konditionen für eine erneute fünfjährige Verlängerung der Sendelizenz von TF1 festgelegt werden, wütet nur noch eine kleine Gruppe von Fachleuten aus der Medien- und Werbebranche gegen die Details der Entscheidung. Sie sprechen von „Wettbewerbsverzerrung“ und „privilegierter Behandlung“. Statt Jacques Chirac, der inzwischen Präsident geworden ist, hat dieses Mal der 1989 gegründete „Audiovisuelle Aufsichtsrat“ (CSA) dafür gesorgt, daß TF1 wunschgemäß bedient wird.

Vor allem in der Frage der Werbezeiten kam der formell unabhängige CSA dem Privatsender entgegen: So darf TF1 seine Werbeinseln künftig von vier auf sechs Minuten verlängern. Umgekehrt versprach der Sender, seine Porno- und Gewaltfilme mit einer Klassifizierung von eins bis fünf zu versehen. Weitere Auflagen erhielt er nicht. Auch nicht die von französischen Filmproduzenten und Kulturbehörden geforderte Verpflichtung, die Ausgaben für unabhängige Filmproduktionen von bislang drei Prozent zu erhöhen.

Der grundsätzliche Protest einer Bürgerinitiative gegen eine Verlängerung der Lizenz für den tendenziösen, rechtslastigen Sender war bereits vor einigen Monaten ergebnislos verhallt.

TF1, das dem französischen Baulöwen Martin Bouygues gehört, bestreitet sein Programm mit seichter Unterhaltung am Nachmittag und Sex & Crime am Abend.

Die eigene Filmproduktion des Senders ist so gering wie das Niveau seiner Recherchen: Selbst die allabendliche Nachrichtensendung um 20 Uhr hat mehr unterhaltenden als informierenden Charakter. Starmoderator des Senders ist der (gerichtlich) anerkannt korrupteste Journalist Frankreichs: Patrick Poivre d'Arvor, auch „PPDA“ genannt.

Wegen der Entgegennahme millionenschwerer Bestechungsgeschenke von Politikern wurde er im Frühjahr zu einer mehrmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Seiner Karriere bei TF1 steht dieses Urteil freilich nicht im Weg: Dort darf der Mann mit der rauchigen Stimme weiterhin die Nachrichten präsentieren und sogar Interviews mit affairenverdächtigen Politikern machen.

Dem Erfolg von TF1 hat das bisher keinen Abbruch getan: Die durchschnittliche Einschaltquote beträgt 44 Prozent – rund 22 Millionen Zuschauer. Damit liegt TF1 an erster Stelle, gefolgt von den beiden staatlichen Sendern France2 und France3. Wirtschaftlich liegt TF1 an zweiter Stelle der französischen Fernsehunternehmen, dicht hinter dem Pay-TV Canal+: Bei einem Jahresumsatz von über 9 Milliarden Francs (ca. 2,8 Milliarden Mark) machte TF1 im vergangenen Jahr 600 Millionen Francs (180 Millionen Mark) Gewinn, 10,7 Prozent mehr als 1994.

Der Protest gegen die CSA- Entscheidung kam weniger vom staatlichen Fernsehen, das vor wenigen Wochen gemeinsam mit TF1 ins digitale Geschäft eingestiegen ist, um dem französischen Pay-TV-Anbieter Canal+ gemeinsam die Stirn zu bieten, sondern von den Printmedien. Die Zeitungsverleger, bei denen das Anzeigenaufkommen bedrohlich sinkt, sprechen von einem Skandal. Gerade wo sich der Werbemarkt stabilisiert habe, sei die „destabilisierende Entscheidung“ der CSA gefallen, erklärte der Präsident der Vereinigung der Regionalpresse, Jacques Saint-Cricq.

Für TF1 bedeute die Verlängerung der Werbezeiten einen zusätzlichen Gewinn von bis zu 722 Millionen Francs (ca. 218 Millionen Mark) – ein Betrag, der den Printmedien verlorengehe. Die unnötige Eile bei der Entscheidung der CSA – die Lizenverlängerung ist erst im Oktober fällig – können sich die Verlegerverbände allenfalls mit der großen Werbe-Hausse am Ende des Jahres erklären: Denn in der Akquise steht Weihnachten schon vor der Tür.