Erbakan knüpft vorsichtige Kontakte zur PKK

■ Der türkische Ministerpräsident empfängt einen Mittler mit langjährigen Verbindungen zu Abdullah Öcalan. Die Initiative ist in der Regierung abgesprochen

Istanbul (taz) – Der türkische Ministerpräsident Necmettin Erbakan hat einen Intellektuellen empfangen, der seit Jahren im Dialog mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihrem Führer Abdullah Öcalan steht. Bei den Gesprächen Erbakans mit Ismail Nacar ging es um Lösungen für die kurdische Frage. Erstmalig schaltet damit ein türkischer Ministerpräsident einen Mittler ein, der in Kontakt zur PKK steht.

Die geheimen Treffen des Ministerpräsidenten mit dem islamistischen Intellektuellen wurden dieser Tage durch Berichte türkischer Zeitungen publik. Vorbereitet hatte sie der kurdische Abgeordneten Fethullah Erbas von Erbakans Wohlfahrtspartei. Anschließend besuchten Erbas und Nacar den Vorsitzenden der Demokratiepartei des Volkes (Hadep), Murat Bozlak, im Gefängnis von Ankara. Bozlak, dem politische Nähe zur PKK nachgesagt wird, befindet sich mit weiteren Funktionären der Partei in Haft, weil während des letzten Parteikongresses Maskierte die obligatorische türkische Flagge abgehängt und an ihrer Stelle ein Poster von PKK-Chef Öcalan befestigt hatten.

Nacar ist der Öffentlichkeit als Gründer des überparteilichen „Komitees für Frieden, Brüderlichkeit und Solidarität“ bekannt. Er hat zahlreiche Appelle unterschrieben, den blutigen Krieg in den kurdischen Provinzen zu beenden. Vergangenen September führte er ein mehrstündiges Telefonat mit PKK-Chef Öcalan. Die nationalistische Presse attackierte ihn daraufhin als „Ratgeber des Terroristen“. Ein Besuch bei Öcalan kam nicht zustande, weil Syrien Nacar das Visum verweigerte.

Nacar sagt nichts über den Inhalt der Gespräche mit Erbakan. Nach Bekanntwerden der Treffen zeigte er sich jedoch optimistisch: „Der Konflikt wird gelöst werden. Es ist eine sehr wichtige Entwicklung, wenn ein Ministerpräsident zivile Initiativen anhört, um das Blutvergießen zu stoppen.“

Für Überraschung sorgte auch der stellvertretende Vorsitzende der Partei des rechten Weges (DYP), Mehmet Gölhan. Die Partei der früheren Ministerpräsidentin Tansu Çiller bildet gemeinsam mit der Wohlfahrtspartei die Regierung. Nach Bekanntwerden der Gespräche erklärte Gölhan, Erbakans Initiative sei innerhalb der Regierung abgesprochen gewesen. „Natürlich unterstützen wir es. Jeder will doch, daß im Osten und Südosten Anatoliens der Terror beendet wird und das Blutvergießen aufhört“, erklärte Gölhan. Zwar habe seine Partei weiterhin nicht vor, sich „mit Bewaffneten an einen Tisch zu setzen. Aber mit Mittelsmännern ist es möglich.“

Die oppositionelle Mutterlandspartei äußerte sich nicht zu den Treffen, wohl aber der Vorsitzende der faschistischen „Nationalistischen Aktionspartei“, Alpaslan Türkeș: „Ein Gespräch mit dieser Person kommt Verhandlungen mit der Terrororganisation PKK gleich“, sagte er auf Nacar bezogen. Die Tageszeitung Sabah (Der Morgen) zitiert einen hohen anonymen General mit entsetzter Kritik: „Die Terrororganisation dürstet nur nach Blut. Solche Initiativen geben den Terroristen Beistand.“

Unmittelbare Folgen auf die staatliche Kurdistanpolitik, die darauf setzt, militärisch den kurdischen Widerstand zu brechen, sind von der Initiative Erbakans nicht zu erwarten. Eine politische Liberalisierung wird kaum folgen, auch wenn es zu kleinen Zugeständnissen, wie einer Erlaubnis für kurdischsprachiges Radio und Fernsehen, kommen wird. Der politische Rahmen, in dem Erbakan agieren kann, ist eng. Nichtsdestotrotz setzt das Treffen mit Nacar Signale, daß im Moment politischer Opportunität die Wohlfahrtspartei auch den Weg eines friedlichen Dialoges mit den Kurden beschreiten könnte. Ömer Erzeren