Siemens kämpft in Spanien um Ehre

■ Der Konzern versucht, sich vom Verdacht der Korruption reinzuwaschen. Richterin hat bereits Sonderkonten gefunden

Madrid (taz) – Die Siemens AG will mit ganzseitigen Anzeigen in allen großen spanischen Tageszeitungen ihren Ruf retten. „Anläßlich der in der Presse veröffentlichten Informationen über den Zuschlag für das von Siemens geleitete Konsortium bei der Elektrifizierung und beim Bau der Signalanlagen der Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid-Sevilla werden falsche Interpretationen über die Ermittlungen verbreitet.“ Der Elektrokonzern steht in Spanien so unter Druck, daß er entgegen seiner „üblichen Politik, nicht in laufende Ermittlungen einzugreifen“, an die Öffentlichkeit geht.

Siemens will sich damit von dem Vorwurf reinwaschen, exklusiv und zwei Jahre im voraus über den geplanten Hochgeschwindigkeitszug AVE informiert worden zu sein. Von den 16 Millionen Mark Bestechungsgeldern, die dafür – so der Stand der Ermittlungen der Madrider Richterin Teresa Chacón – an die sozialistische PSOE des damaligen Regierungschefs González bezahlt wurden, verliert Siemens kein Wort.

Das Auftragsvolumen für Siemens belief sich auf rund 1,6 Milliarden Mark. Ein Untersuchungsbericht des spanischen Finanzministeriums zeigt, daß einige Posten im Nachhinein erheblich teurer wurden. So strichen die Deutschen für Loks und Waggons 50 Millionen Mark mehr ein, als anfänglich vereinbart. Beim Bau der Signalanlage stieg der Preis um 51 Prozent, bei den Oberleitungen um 33 Prozent. Ein Freundschaftsdienst der Regierung an Siemens, so der Verdacht der Ermittlungsrichterin Chacón. Siemens sieht das anders: Während die Strecke gebaut wurde, „kam es seitens anderer Firmen zu Verzögerungen, die beim Konsortium zu Änderungen im Arbeitsablauf führten. Das führte zu den Mehrkosten.“

Der Siemens-Vorstand in München hat vor rund einer Woche den für das AVE-Geschäft zuständigen Finanzexperten Bruno Rübensdorfer vorsorglich aus Madrid abgezogen. Denn Richterin Chacón schreckt vor niemandem zurück. Die Liste der Beschuldigten ist mittlerweile auf 24 angewachsen. Sozialistische Politiker stehen ebenso darauf wie leitende Angestellte der spanischen Siemens. Die beiden ehemaligen Direktoren der spanischen Bahn Renfe, Julián García Valverde und Mercé Sala, beschuldigt die Richterin nicht nur des Betrugs, sondern auch öffentliche Gelder veruntreut und Preise künstlich gesteigert zu haben.

Der von Siemens abberufene Rübensdorfer wird künftig die Lateinamerikageschäfte des Unternehmens leiten. Ein Gebiet, auf dem er sich auskennt: So wurden ein Teil der AVE- Schmiergelder über Uruguay auf die Genfer Konten von PSOE- Politikern eingezahlt. Der Schweizer Richter Paul Perraudin stieß auf Schecks im Wert von über 15 Millionen Mark. Die meisten stammten aus einer Züricher Bank und gingen zu Lasten eines Frankfurter Kontos. Siemens hat vermutlich den Weg über Lateinamerika gewählt, um sich nicht strafbar zu machen. Die deutsche Rechtsprechung untersagt innerhalb der EU ausdrücklich Kommissionszahlungen. Perraudin verlangt von Siemens nun, die Geschäftsunterlagen offenzulegen. Siemens-Anwälte legten dagegen Widerspruch ein, den die höchste Schweizer Instanz jedoch bereits zurückgewiesen hat. Reiner Wandler