Aktion gegen Punks

■ Platzverweise und Gewahrsam. JuristInnen: „Nur in Diktaturen üblich“

Bremen (taz) – In Bremen fordern Sozialdemokratische JuristInnen (ASJ) jetzt den Rücktritt des CDU-Innensenators Ralf Borttscheller.

Sie kritisieren die massenhaften Platzverweise und Festnahmen gegen rund 700 Punks am Wochenende. Die Behandlung der jungen Punks, die ohne Toiletten und ausreichende Ernährung in Garagen festgehalten wurden, sei empörend. Etliche mußten über 19 Stunden in dem provisorischen Gewahrsam ausharren: „Selbst rechtmäßig verurteilte Straftäter dürften so nicht behandelt werden.“ Bei den Festgehaltenen habe es sich jedoch statt dessen um Personen gehandelt, die nur aufgrund ihrer Haarfarbe und ihres Aussehens als Punks identifiziert wurden. „Ein solches Vorgehen ist ansonsten nur in Diktaturen oder autoritären Staaten üblich“, stellten die JuristInnen fest.

Heftige Kritik an der Polizeitaktik übten auch nichtorganisierte JuristInnen des Anwaltnotdienstes. „Unsere Kontaktaufnahme mit Inhaftierten wurde durch falsche Information seitens der Polizei stundenlang behindert“, bestätigten die Rechtsanwälte.

Bis auf drei Personen seien die Festgehaltenen daran gehindert worden, einen Anwalt anzurufen. Darüber hinaus sei kaum einem der Festgehaltenen vor der Inhaftierung überhaupt ein Platzverweis erteilt worden, sagte Rechtsanwalt Martin Stucke. Damit sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt und gegen Voraussetzung für die Ingewahrsamnahme nach dem Bremer Polizeigesetz verstoßen worden.

Das Landespolizeigesetz sehe nur die „erhebliche Gefahr“, also eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, etwa an Leib und Leben, Freiheit, Bestand des Staates, als Grund für Inhaftierungen vor. Diese sei aber in den allermeisten Fällen nicht gegeben gewesen.

Statt dessen hätten, und das sei belegbar, fragwürdige Kriterien wie „punktypisches Verhalten oder Aussehen“ hergehalten. Gegen das „eindeutig rechtswidrige“ Verhalten der Bremer Polizei wolle man jetzt mit Schmerzensgeld- und Schadenersatzforderungen angehen, so Rechtsanwalt Stucke.

Unterdessen ist bei der Bremer Staatsanwaltschaft ein erstes Ermittlungsverfahren gegen die Polizei anhängig. Nach den Aussagen von drei unabhängigen Zeugen und Zeuginnen soll die Polizei einen Mann am Sielwall, dem Brennpunkt der Auseinandersetzungen, von hinten überfahren haben. ZeugInnen, die sich nach dem Vorfall gemeldet hatten, sei gesagt worden, daß das gar nichts nütze. Dem Betroffenen selbst habe man gesagt, die Polizei hätte auch viele Zeugen – und Falschaussage sei strafbar, so versicherte ein Zeuge gegenüber der taz. Eva Rhode