Kaum Katharsis

■ Flirrende Stimmungswechsel: John Cale gastiert mit zugänglichen Arbeiten

„Der Arbeitstitel meines neuen Albums lautete Bryan Ferry's Next Album“, erzählt der auf Fotos immer ernst dreinschauende John Cale und muß dabei selbst lachen. Aber nur kurz. „Das war mir dann doch zu albern.“ John Cale, der Bassist und Geiger von Velvet Underground und Produzent so unterschiedlicher Musiker wie Patti Smith, Iggy Pop oder Siouxie Sioux, redet mit väterlicher Raison. Er hat ja auch sein Leben lang gearbeitet.

Filmsoundtracks hat er gemacht – für Andy Warhol, Jonathan Demme oder Alex Cox. Alleine oder zusammen mit Musikern wie Leonard Cohen, Hector Zazou, Suzanne Vega, Lou Reed oder Brian Eno komponierte er Lieder für die Ewigkeit. Immer ein bißchen spröde, häufig von Melancholie durchdrungen, oft von Konzepten eingeklammert.

Auf seinem neuen Album Walking On Locusts singt John Cale tatsächlich ein bißchen wie Bryan Ferry. Aber im Gegensatz zu dem Farbe verlierenden Dressman würde Cale seine Musik nie einem stadtfeinen Publikum in schwingungsfeindlichen Congress-Centren opfern. Dazu liebt dieser Mann die Melodien und ihre Dekonstruktion zu sehr.

Sechsunddreißig Jahre ist es her, daß der musikalisch hochbegabte John Cale, damals 18 Jahre jung, die Tore des Goldsmith's College in London durchschritt. Sein Interesse galt zunächst den theoretischen Abstraktions-Universen moderner Komponisten, um später Drei-Minuten-Pop-Songs von glasklarer Schwerelosigkeit in Serienproduktion zu entwerfen.

John Cale spielte selbst immer auch Instrumente, Bass, Geige und Klavier zum Beispiel. Trug ihm letzteres den Ruf eines Wunderkindes ein – Cale spielte bereits mit acht Jahren Piano für die BBC –, so rammte sein monotones Viola-Spiel Velvet Underground-Stücke wie „Venus In Furs“ in den Olymp der Rock-Musik.

Beim Interview bestätigt John Cale nahezu alle ihm vorauseilenden Gerüchte. Kurz und knapp ist er in der Lage, die Philosophie von Walking On Locusts, seinem zugänglichsten Album seit Jahren, zu umreißen: Ja, der Verzicht auf kathartische Experimente habe einen reflexiveren Blick auf die Musik erlaubt. Ja, der Schliff von früher omnipräsentem Perfektionismus bewahrte den luftigen Skizzencharakter der neuen Stücke. Nein, heute sei er nicht sonderlich an Verweisen auf die reale Welt da draußen interessiert.

Doch John Cales Stimmung wechselt im Stakkato der Sätze, die er in das Diktiergerät spricht – von blendend bis zickig. Auch mit der Konzentration hapert es bisweilen: Immer dann, wenn er sich nicht mehr an die gestellte Frage erinnern kann. Dafür ist der seit Jahren ewiggleiche Haarschnitt wie der durchtrainierte Körper geblieben. „I am only interested in music“, sagt Cale schließlich und weiß doch die Süße stimulierender Drogen zu schätzen. Heißt es.

Daß John Cale seinen Auftritt am kommenden Sonntag in der Fabrik zusammen mit dem Soldier String Quartet bestreiten wird, ist indes über jeden Zweifel erhaben.

Maximilian Dax

So, 11. August, 20 Uhr, Fabrik