Unattraktive Seefahrt

■ Bremer Hochschule bekämpft die Nachwuchsflaute

Die drei Seeschiffahrtsschulen Bremen, Elsfleth und Leer haben ihren leeren Hörsälen den Kampf angesagt. Mit dem nächsten Semester werden Bewerber mit Hochschulreife direkt an die Hochschule gehen können. Die vorher erforderliche Ausbildung zum Schiffsmechaniker wird durch zwei Praxissemester ersetzt.

Die Nachwuchssorgen der deutschen Seeschiffahrt sind nicht neu. Bereits 93/94 schlugen die Hochschulen Alarm und verkündeten, daß „Tal der Tränen“ sei erreicht. Damals hatten nur 58 Personen in ganz Deutschland ihre Ausbildung zum Schiffsmechaniker begonnen. Die Situation hat sich bis heute nicht grundlegend verändert. „Es fehlt von unten“, so Christof Marcus, Fachbereichssprecher der Hochschule Bremen, in dessen Nautikstudiengang nur noch gut die Hälfte von 180 eingerichteten Plätzen besetzt sind. „Eine Einstellung des Studienganges ist nicht auszuschließen, wir sehen sie aber noch nicht.“ Ein neues Hochschulkonzept soll jetzt die Studienplätze wieder füllen helfen.

Leichte Anfangsschwierigkeiten gebe es, aber die ersten Praktikumsverträge seien abgeschlossen, und so sieht der Bremer Fachbereichssprecher ganz optimistisch in die Zukunft. Die verringerten Ausbildungsplätze bei den Reedereien hätten vielen Interessenten den Weg zur Hochschule erschwert, nun wäre dieser Faktor weitestgehend ausgeschaltet.

Klaus Schnettcher-Fink, stellv. Vorsitzender der Berufsbildungsstelle in Hamburg, kritisiert die Reedereien scharf: „Rein statistisch betrachtet, gibt es einen erheblichen Nachwuchsbedarf an Offizieren. Doch die Reedereien retten sich über die Runden durch Abschöpfen des vorhandenen Potentials.“ Und er kommt zu dem Schluß: „Ja, deutsche Reeder bilden zu wenig aus.“ Christof Marcus von der Hochschule will die Reeder nun an ihr Versprechen binden. „Wer jetzt ausbilden will, der kann es auch“, sagt er und meint damit, daß die Reedereien nun statt bezahlte Azubis Praktikanten ohne Gehalt beschäftigen.

Bei Hans-Jürgen Dietrich vom Verband deutscher Reeder (VDR) stößt dieses Konzept auf Skepsis. Dietrich sieht eine Kontrollinstanz wie die Berufsbildungsstelle, die den Standard einer Ausbildung garantiere, bei einem Praktikum nicht. Karl-Richard Albrant von der Seeschiffahrtsschule Hamburg reagiert ähnlich. Man habe einfach Angst, daß diese Regelung auf Kosten der Berufspraxis gehe. Die Bremer Hochschule verteidigt jedoch ihr Vorgehen. Das Praktikum sei vergleichbar mit der Schiffsmechanikerausbildung, und man habe keine Bedenken, daß auch eine hochschulinterne Kontrolle greife.

Abgesehen von der Ausbildungssituation und den Lebensumständen, die der Beruf mit sich bringt, hat die Seefahrt in Deutschland mit einem generellen Imageproblem zu kämpfen. Immer mehr Reedereien tragen ihre Schiffe ins Zweitregister ein oder lassen sie unter ausländischer Flagge fahren. Ausgeflaggt unterliegen sie nicht mehr deutschem Recht und Tarifbestimmungen, sondern dem jenen Landes, unter dessen Flagge sie fahren. Für einen deutschen Schiffsoffizier bedeutet das meistens eine drastische Lohnkürzung. Ein zweiter nautischer Offizier erhält im Erstregister unter deutscher Flagge laut Tarif 4.126 DM plus Zulagen, während er auf einem ausgeflaggten Schiff unter Umständen nur mit dem Mindestlohn von 1.100 DM rechnen kann.

Das Ausflaggen habe „große Unsicherheit bei den Bewerbern“ erzeugt, gibt Hans-Jürgen Dietrich vom VDR zu. Daß der Ausflaggungstrend deutscher Reeder um sich greift, sieht er nicht. Vielfach verhindern deutsche Subventionen, die an das Erstregister und somit an die deutsche Flagge gebunden sind, solch ein Ausufern der Situation. Mit dem Bonner Sparpaket entscheidet in diesen Tagen der Vermittlungssausschuß auch über die Kürzung dieser Gelder von 100 Millionen auf 40 Millionen. „Da liegt ein echter Sprengsatz drin“, kommentiert Klaus Schnettcher-Fink von der Berufsbildungsstelle in Hamburg die Pläne. „Wir dürfen nicht den Anreiz dieses Finanzbeitrages für Beschäftigung unter deutscher Flagge unterschätzen.“ Doch, so räumt er ein, vor dem internationalen Markt werde niemand die deutsche Seeschiffahrt beschützen können.

Und somit auch nicht die Hochschulstudenten aus Bremen, Leer und Elsfleth, die sich nach ihrem Studium nicht nur mit der deutschen Konkurrenz, sondern auch mit dem Können ihrer ausländischen Kollegen messen müssen. Ottmar Mich, Student an der Fachhochschule in Elsfleth, ist sich dessen durchaus bewußt. Aber er denkt, daß er auch unter ausländischer Flagge für einen guten Lohn fahren könnte. cla