"Direktive 1/67"

■ Dokumentation über DDR-Isolierungslager, 22.30, MDR

Eines der dunkelsten Kapitel der DDR-Geschichte verbirgt sich hinter dem harmlos klingenden Wort „Vorbeugekomplex“. Vorbeugen wollte der erste Arbeiter- und Bauernstaat für den sogenannten Spannungs-, Krisen- oder Verteidigungsfall: Tausende seiner Bürgerinnen und Bürger sollten dann in kürzester Zeit in Haft genommen werden. Auf Hunderten von Seiten wurden dazu die aus Sicht des Staatssicherheitsdienstes mißliebigen Mitmenschen in der Republik aufgelistet. Die Regisseurin Barbara Hanus ist diesen Planungen — niedergelegt als Verschlußsache „Direktive 1/67“ — nun in einem Dokumentarfilm nachgegangen, der sich im wesentlichen auf die Forschungsarbeiten der Gauck-Behörde stützt.

Die Festnahmekommandos verfügten über Maschinenpistolen, Knebelketten und Schlagstöcke. Der Auftrag der Stasi-Offiziere war unmißverständlich: Festnahme „feindlich-negativer Kräfte“, anschließend Transport in „zeitweilige Isolierungsstützpunkte“. In den Panzerschränken der über 210 Kreisdienststellen lagerten unscheinbare verschlossene Briefumschläge, die im Falle der Krise nach der Bekanntgabe eines zentralen Code-Wortes geöffnet werden sollten. Sie sollten den Verhaftungstrupps den Weg zu den weniger regimetreuen DDR- BürgerInnen weisen.

1988 hatte die Stasi über 80.000 Personen in einem „Vorbeugekomplex“ erfaßt. 3.000 davon waren zur Inhaftierung in MfS-Gefängnissen vorgesehen, 10.726 sollten in Isolierungslager verbracht werden, mehr als 70.000 weitere „feindlich-negative Personen“ sollten bei geringsten Auffälligkeiten ebenfalls ins Isolierungslager wandern. Die oberste Befehlsgewalt lag beim Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates, Erich Honecker.

Offenkundig plante die Partei- und Staatsführung in der Endphase der DDR die klandestinen Vorbereitungen tatsächlich auszulösen. Am 8. Oktober 1989, vier Wochen vor dem Mauerfall, wandten sich der MfS-Chef Erich Mielke und Honecker fernschriftlich an ihre Untergebene. Mielke ordnete „volle Dienstbereitschaft“ und ständiges Waffentragen an. Unter anderem befahl er, alle Personen „herauszuarbeiten“, bei denen „feindlich-negative Handlungen“ zu erwarten sind, „um erforderlichenfalls kurzfristig die Zuführung bzw. Festnahme solcher Personen zu realisieren“. Soweit kam es denn doch nicht. Der Machtapparat der SED implodierte innerhalb wenigen Tagen. PaulNeumann

Weiterer Sendetermin: 13.08., 20.15 Uhr, ORB