■ SURFBRETT
: Die Postkarte der Bundesregierung

Wenn eine Regierung in den Sommerurlaub fährt, fällt oft auf, daß sie gar nicht vermißt wird. Journalisten können einen Minister auch im Feriendomizil ans Telefon holen. Er sagt dann, was er immer sagt, also keinswegs das, was er tut. Das wirft die Frage auf, was eine Regierung zu Hause tut. Wenn man der Selbstdarstellung der deutschen Regierung im World Wide Web glauben darf, führt sie Geschäfte und trägt Verantwortung. Offenbar ist das ein hinreichender Existenzgrund. Vorbild ihrer Homepage unter http://www.government.de/ waren jene Postkarten mit mehreren Motiven, die den Daheimgebliebenen die Wahl der Qual lassen, ob sie mehr auf die Strandschönheiten, die Hotelterrasse, den Sonnenuntergang oder die Nachtbar neidisch sein wollen. So sehen wir hier zugleich die malerisch im weichgezeichneten Rand verschwimmenden Bildchen des Bundeskanzleramtes in Bonn, des Brandenburger Tors in Berlin und des Bundeskanzlers, der eine Rede hält. Es geht um eine Grundsteinlegung, doch Helmut Kohls Kopf verdeckt den Rest des Textes hinter dem Rednerpult, so daß die Frage erneut offenbleibt, was genau die Regierung tut. Denn es ist ja nicht zu erkennen, welchen Grundstein Helmut Kohl gelegt hat. Ohnehin scheint das Grundsteinlegen nur ein Sonderfall seiner Hauptaufgabe zu sein, die unter der sehr langen Adresse http:// www.government.de/inland/kanzler/der_ kanzler.html mit ganzen sechs Zeilen umschrieben ist. Der Absatz beginnt mit dem Satz: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und leitet die Geschäfte der Bundesregierung.“ Geschäfte? Eine gewisse Beziehung zum Grundsteinlegen auf der Bundespostkarte scheint zu bestehen. Der Kanzler baut nicht selber, er läßt bauen. Doch Helmut Kohl muß ein geschworener Feind des Internet sein. Das Bundespresseamt stellt über mehrere Bildschirmseiten hinweg sich selbst dar, für den gewichtigsten Kanzler seit 1949 aber hat es nur zu einem tabellarischen Lebenslauf gereicht. Es muß ja nicht Bitburg sein, aber die deutsche Einheit oder Maastricht hätten als Verdienste dieses Mannes erläutert werden können. Man muß Helmut Kohl ja nicht mögen, um ihm gerecht werden zu wollen. Aber hier prallt jede Nachfrage ab. Die E-Mail, die man hier abschicken darf, gleicht einem Amtsformular. Sie ist automatisch an das Bundespresseamt adressiert, das zunächst wissen will, ob man eine Frage stellen oder eine Mitteilung machen möchte. Erwünscht ist keines von beidem, in das Textfeld passen wieder nur fünf Zeilen. niklaus@taz.de