Mit „Turnschuhbeiräten“ die Zukunft sichern

■ Junge Trendsetter sollen mit neuen Ideen die deutsche Wirtschaft retten. SEL, Opel und Compaq experimentieren – in den USA wird schon lange praktiziert

Frankfurt/Main (taz) – Passionierte Hacker und andere Computerfreaks unter 25 mit ökonomischen Ambitionen, aufgepaßt! We want you – for big business. Gestraft vom Standort Deutschland und mit dem heißen Atem der kleinen Tiger im Nacken rufen einige deutsche Unternehmer jetzt die Jugend an die Wirtschaftsfront.

„Ich will einen Turnschuhbeirat aus einer Handvoll junger Leute schaffen“, kündigte kürzlich der neue Chef von Alcatel Deutschland (SEL), Roland Mecklinger (59), im Focus an. Marktorientierte und technikbegeisterte Youngster sollen den Oldtimern im Vorstand sagen, wo es langgeht. Alles müsse natürlich zunächst von den erfahrenen Kräften im Unternehmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden. Aber ohne den „Turnschuhbeirat“ geht es für Mecklinger nicht.

Der SEL-Chef ist mit dieser Erkenntnis nicht allein. In der PC- und Softwarebranche gehe es „irrsinnig schnell“ zu, konstatiert auch Compaq-Chef Eckehard Pfeiffer. Wer am Markt erfolgreich sein wolle, brauche vor allem ein „waches Management“: Innovationsschübe durch kreative „Schnelldenker“ aus der Altersschicht, aus der sich mehrheitlich gerade in dieser Branche auch die Käufer für die neuentwickelten Produktlinien rekrutieren lassen.

In den USA ist man da schon weiter. Die kleinen „Masters of the universe“ dürfen dort in nicht wenigen Unternehmen und auch in manchen Chefetagen nach eigenem Gusto schalten und walten – und teilweise auch auf eigene Rechnung. Wer eine gute Idee hat, soll auch persönlich davon profitieren. Das motiviert die Turnschuhmanager ganz außerordentlich.

Und weil etwa die Adam Opel AG zum US-Konzern General Motors gehört, können junge Innovative in Rüsselsheim auch eine eigene Firma neben der Firma betreiben. Propeller AG heißt das 1991 gegründete Unternehmen. Eine Parallelwelt, in der Produkte entworfen und bis zur Produktionsreife entwickelt werden, die danach im Werk von den Lehrlingen gebaut und anschließend von Propeller auch tatsächlich vertrieben und verkauft werden – auf eigene Rechnung. Propeller verfügt über einen rotierenden, vierköpfigen Vorstand für Einkauf, Finanzwesen, Personal und Vertrieb und legt regelmäßig Jahresbilanzen vor. 41.831 Mark Gewinn hat die Propeller AG im vergangenen Jahr erwirtschaftet. Und was kann bei Propeller gekauft werden? „Alles, was sie wollen“, sagt Opel- Sprecherin Gudrun Langer: „Vom futuristischen Modellauto bis zu den von den Herren sehr begehrten Krawattenklemmern.“

„Kaderschmiede“ für das Management will Langer die Propeller AG nicht nennen. Der Begriff sei „negativ belegt“. Mit der Propeller AG solle zunächst die Handlungs- und Sozialkompetenz der zukünftigen kaufmännischen MitarbeiterInnen von Opel gesteigert werden. Zudem werde in der eigenen Firma das marktwirtschaftliche Denken und das gewinnorientierte Arbeiten gefördert, sagt Langer.

Das unterscheidet die Propeller AG (noch) von den US-Vorbildern. Bei Propeller werden die Youngsters „kompatibel“ gemacht für das „richtige“ Unternehmen, um dann ihr kreatives Potential besser nutzen zu können.

In den Staaten dagegen werden sie gleich ins kalte Wasser geworfen. Bleibt dann der erwartete Innovationsschub aus, stehen sie mit ihren Turnschuhen bald wieder dort, wo sie hergekommen sind: auf der Straße.

Und noch etwas unterscheidet Propeller von den „Turnschuhbeiräten“ in US-amerikanischen Unternehmen: Die von der Juniorfirma von Opel erwirtschafteten Gewinne wandern nicht in die Taschen der MitarbeiterInnen. Nur knapp 20 Prozent kommen in Form einer Sachpreisverlosung zur Ausschüttung.

Der Erfolg gibt Opel trotzdem recht. Die Propeller AG arbeitet so exzellent, daß expandiert werden kann – nach Bochum und Kaiserslautern. Die Zeiten, als bei einem Tabakkonzern der innovative „Minister of Future“ nur ein Gag der Werbeabteilung war, sind vorbei. Klaus-Peter Klingelschmitt