■ Erstes bundesweites Fußball-Fanzine-Festival in Oer-Erkenschwick
: Melk die fette Katze und hol das Spiel zurück!

Viele Fans des FC St. Pauli haben an diesem Wochenende nichts mit Fußball im Sinn. Sie schauen sich am Millerntor lieber eine Zirkus-Veranstaltung an, die offiziell als Box-Weltmeisterschaft verkauft wird.

Einige Redakteure der St.-Pauli-Fanzines Der Übersteiger, Unhaltbar!, Pipa Millerntor und Splitter haben Besseres vor: Sie unterstützen den FC nicht nur beim Pokalspiel in Oberhausen, sondern verbringen das gesamte Wochenende im Westen. Heute abend treffen sie sich in Oer-Erkenschwick bei Recklinghausen mit zirka 100 Kollegen, etwa von Melk die fette Katze aus Leipzig oder Um halb vier war die Welt noch in Ordnung aus Bielefeld, zum „1. bundesweiten Fußball-Fanzine-Festival“.

Dort debattieren die Redakteure über in der Szene bereits eingeführte Themen wie Versitzplatzung oder Pay-TV, aber auch über bisher noch kaum diskutierte Fragestellungen: Wie wichtig sind kritische Fans mittlerweile für die corporate identity eines Vereins? Müssen sich Spieler eigentlich mit einem Club identifizieren, und was bedeutet das überhaupt?

Was hat es damit auf sich, daß in letzter Zeit die Berichterstattung über Vereine wie Kaiserslautern oder Schalke 04 voll ist von folkloristischen Motiven, also immer wieder die vermeintliche Bedeutung der Clubs für „eine ganze Region“ heraufbeschworen wird? Darüber hinaus gibt es auch eine Arbeitsgruppe für Fans, die sich fanzinejournalistisch weiterbilden wollen.

Im Rahmenprogramm des Festivals ist morgen abend mit Live-Musik zu rechnen, außerdem lesen schriftstellernde taz-Autoren wie Christoph Biermann, Gerd Henschel und Jürgen Roth aus ihren Büchern. Das Motto der Veranstaltung ist trotzig und romantisch durchaus nicht unsympathisch: „Wir holen uns das Spiel zurück!“ Klingt so, als stünde die Enteignung Leo Kirchs und Borussia Dortmunds unmittelbar bevor.

Ob die Organisatoren allerdings bekunden mußten, daß sie „gegen Kommerzialisierung“ sind, steht auf einem anderen Blatt. Mittlerweile ist ja selbst der dümmste Schwätzer dagegen, wie man zuletzt der Berichterstattung über die Olympischen Spiele entnehmen konnte. René Martens

Kurzentschlossene Interessenten – das Festival ist offen für jeden sich alternativ und business-kritisch dünkenden Fußballfan – sollten sich bei Dieter Bott vom Fanprojekt Duisburg melden. Telefon/Fax: 0203/28 41 70.