Füttern verboten und möglichst wenig eingreifen

■ Umweltschutzverbände fordern ein Zertifikat für ökologische Waldnutzung

Förster Lutz Fähser ist ein Vorreiter in seiner Branche. Schon seit 1994 wird der 4500 Hektar große Stadtwald von Lübeck naturnah genutzt. „Der Wald ist toll. Er stellt sich selber her“, schwärmt Fähser, der das Forstamt in Lübeck leitet. Dessen Devise heißt: möglichst wenig eingreifen und mindestens ein Zehntel der Waldfläche nicht nutzen. Heimische Baumarten, also Buche, Esche, Ahorn, Ulme, Wildobst, Birke, Eiche und Kiefer werden in Lübeck bevorzugt gegenüber Fichten, Lärchen, Douglasien, die von Natur aus hier nicht vorkommen. Gefällt werden nur einzelne Bäume oder Baumgruppen. Im Lübecker Forst, der im Schatten der innerdeutschen Grenze knapp 30 Jahre verwildern konnte, sind Gifte, Dünger, Gülle, Klärschlamm, Kahlschläge, Monokulturen und das Füttern von Wildtieren grundsätzlich verboten.

Ziemlich genau so stellen sich die Umweltorganisationen BUND, Greenpeace, Naturland, Robin Wood und WWF naturnahe Waldwirtschaft vor. Die Verbände stellten gestern ihr gemeinsames Konzept für ein Zertifikat für umweltfreundliche Waldbetriebe vor.

Ein wichtiges Prinzip der ökologischen Waldnutzung ist die Naturverjüngung: Junge Bäume werden in der Regel nicht mehr angepflanzt oder ausgesät. Welcher Baum wo wächst, entscheidet die Natur.

Damit sich der Wald selbst verjüngen könne, erklärte BUND-Geschäftsführer Helmut Klein, müsse man den Wildbestand niedrig halten. Besonders in der Übergangsphase, wenn Laubhölzer sich unter reine Nadelholzbestände mischen, stellen übermäßig viele Rehe und Hirsche, die als „Feinschmecker“ die zarten jungen Laubbäume bevorzugen, ein Problem dar. „Ein brisantes politisches Kapitel“, gibt Klein zu. Denn in vielen Wäldern wird der Wildbestand durch Fütterung auf hohem Niveau gehalten, um Freizeitjägern leichte Beute zu ermöglichen.

Das Problem kennt man auch in Hamburg. „Wir bemühen uns, den Wildbestand so niedrig wie möglich zu halten, damit sich der Wald verjüngen kann,“ betonte Gustaf-Adolf Engelin, als stellvertretender Leiter der Hamburger Forstverwaltung zuständig für die Wälder von den Harburger Bergen bis zum Duvenstedter Brook, gegenüber der taz. Aber Jagdpächter hätten eben meist andere Vorstellungen von der optimalen Wilddichte. Bestimmte Kriterien des Naturland-Zertifikats seien in Hamburg nicht erfüllbar. So wäre es zum Beispiel nicht denkbar, hier Urwald abzuzäunen, „und keine Leute hineinzulassen.“ Aber auch in der Hansestadt ist man um naturnahe Waldwirtschaft bemüht. In den Harburger Bergen, so Engelin, habe sich der Anteil der Laubbäume mittlerweile auf 50 Prozent gesteigert. Vera Stadie