Keine Bremer Karte bei Sozialhilfe

■ Politikerbeschluß ohne Folgen / VBN will mehr Geld als die Sozialsenatorin bezahlen will

Gut ein Jahr ist es her, daß die Sozialdeputation einen vorwärtsweisenden Beschluß faßte: Bremer SozialhilfeempfängerInnen und Flüchtlinge sollten in den Genuß einer Bremer Karte kommen. Gut ein Jahr haben nun die Verhandlungen zwischen der Sozialsenatorin und dem Verkehrsverbund Bremen-Niedersachsen gedauert. Noch gibt es keinen offiziellen Abschluß, aber der zeichnet sich schon deutlich ab: Die Sozialleistung für die Armen wird es nicht geben. Zu weit liegen die Vorstellungen der Bus- und Straßenbahnwerker und des Sozialressorts auseinander.

Schon einmal hatten die Bremer SozialpolitikerInnen einen Vorstoß gemacht, wenigstens den SozialhilfeempfängerInnen das Bus- und Bahnfahren zu verbilligen. 1992 startete die Ampel-Koalition einen einjährigen Modellversuch. 25 Mark kostete die Bremer Karte damals für alle, die von der Sozialhilfe leben mußten. Doch die Freude währte nicht lange. Das Projekt schlief ein, weil die Bremer Straßenbahn AG darauf bestand, die Stadt möge doch dann bitteschön die Differenz zum normalen Preis der Bremer Karte bezahlen. Aber dafür hatten weder das Sozial- noch das Bauressort genügend Geld.

Und nun scheint das neue Projekt, das Anfang Juni letzten Jahres mit den Stimmen der Großen Koalition verabschiedet worden ist, an genau denselben Problemen zu scheitern. Im Sozialhilfe-Regelsatz sind 25 Mark pro Monat für die Benutzung von Bus und Bahn vorgesehen. Der größere Teil ist für den Öffentlichen Personennahverkehr reserviert, ein kleinerer für Bahnfahrten über Land. Die Idee: Für 15 Mark sollten SozialhilfeempfängerInnen bei der Bremer Karte dabeisein können – wenn sie wollten. Zwangskarten sollte es nicht geben. Und der Personenkreis sollte noch um die Flüchtlinge erweitert werden.

Wer Unterstützung nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz erhält, bekommt gerade mal 80 Mark Taschengeld pro Monat auf die Hand, etwa die Hälfte dessen, was SozialhilfeempfängerInnen nach den Berechnungen des Regelsatzes frei zur Verfügung steht. Also, so die Berechnungen des Sozialressorts, dürfte auch die Bremer Flüchtlingskarte nur die Hälfte der Sozialhilfekarte kosten, also 7,50 Mark. Damit könnten dann die Fahrscheine verrechnet werden, die den Flüchtlingen ohnehin zustehen, wenn sie Behördengänge zu machen haben. Auf diese Weise, erwünschter Spareffekt, könnte die personalintensive Abrechnung der Einzelfahrten in der Verwaltung wegfallen.

Die ÖPNV-Betriebe sollten mit dem schlichten Massenargument überzeugt werden. Diejenigen SozialhilfeempfängerInnen, die ohnehin Bus und Bahn benutzen, würden nun zwar billiger fahren, doch der so entstehende Einnahmeverlust könnte durch die massenhaften neuen Fahrgäste kompensiert werden. „Wir wollten eine finanziell neutrale Lösung“, sagt Holger Bruns-Kösters, Sprecher der Sozialsenatorin. Zusätzliche Mittel seien ohenehin nicht aus dem Haushalt zu quetschen. Das allerdings fand der Verkehrsverbund Bremen-Niedersachsen (VBN), der seit einem Jahr mit dem Sozialressort am Verhandlungstisch sitzt, nicht sonderlich überzeugend.

„Die Vorstellungen liegen eben weit auseinander“, sagte Reiner Strenge, Geschäftsführer des VBN gegenüber der taz. Drei Millionen Mark Einnahmeausfall pro Jahr hatte der Verkehrsverbund für sich ausgerechnet. Und die sollten nun aus dem Landeshaushalt fließen. Schließlich habe das Sozialressort weder eine Einnahmegarantie geben können noch habe es die Zusage gegeben, daß der VBN nichts mit der aufwendigen Ausgabe der Karten zu tun haben würde. Strenge: „Entscheidend ist, daß wir genauso viel wie vorher verdienen. Wenn das nicht garantiert ist, dann kann das Projekt eben nicht laufen.“

Dann eben nicht, denn das Sozialressort findet die Vorstellungen des VBN „etwas überhöht“. Noch steht eine offizielle Antwort der Sozialsenatorin auf die VBN-Forderungen aus, die aber scheint schon festzustehen: Keine Bremer Karte für SozialhilfeempfängerInnen und Flüchtlinge. „Das ist wirklich bitter“, kommentiert die Grünen-Sozialpolitikerin Karoline Linnert, die erst im Januar in der Bürgerschaft nach dem Stand der Verhandlungen gefragt hatte. Schließlich habe es bei den Diskussionen um die letzten Tariferhöhungen des VBN oder beim Hungerstreik der Flüchtlinge auf dem Asylschiff im Kohlehafen immer ein Befriedungsargument gegeben: die verbilligte Bremer Karte. Und nun ist Essig damit. Linnert: „Ich werde den Eindruck nicht los, daß der VBN auf einen bestimmten Kundenkreis eben lieber verzichtet.“

J.G.