■ Nachschlag
: Tanz im August: Benoit Lachambre im Theater am Halleschen Ufer

Unglaublich, die kopflosen Gestalten, die man eben noch für Skulpturen hielt, rühren sich, steigen die Treppe ins Nirgendwo. Düsteres wird angekündigt. Zerschmolzene Stühle, Knochen, starre Schutzanzüge: Wir befinden uns wohl in einem postkatastrophalen Szenario. Zerfetzt und verdreckt wie das Bühnenbild für Benoit Lachambres Stück „The water fait mal“ ist auch die Musik von Vincent Malstaf, zusammengewürfelt aus Rauschen, knackenden Tonarmen, anlaufenden Maschinen, zerstückelten Rhythmen.

Lachambre, der 1960 in Kanada geboren wurde und diese Produktion in Montréal, Leuven und Berlin erarbeitete, scheint auch die Nerven des Menschen, den Fluß seiner Sprache und Bewegungen durch den Zerhacker gejagt zu haben. Einmal setzt Liza Witte an, den nackten Körper ihres Partners mit scharfkantigen Bewegungen einzuteilen, als ob sie ihn tranchieren wollte. Eingerollt bleibt er auf der Bühne liegen, im Licht erfroren. Ein anderes Mal kommt es wie ein Anfall über Lachambre selbst, ein Würgen an Worten, ein Nichtherausbringen der Sprache, das schließlich den ganzen Körper ergreift und umhaut. Beeindruckend, aber nicht leicht auszuhalten ist diese Performance.

Schon der Titel von „The water fait mal“ verspricht ein Sprachengemisch. Der Choreograph bricht symbolische Bilder mit einer blitzschnellen Zeichensprache der Hände, die eher wie Worte und Sätze strukturiert scheint. Dazwischen schiebt er Aktionen, die direkt unter die Haut gehen. Lachambre, dem die Zusammenarbeit mit Meg Stuart in den Jahren 1993 und 1994 anzumerken ist, sucht und findet den körperlichen Ausdruck dort, wo es weh tut. Er bohrt in Wunden, die fast jeder kennt: Defizite in der Kommunikation, Ängste im sozialen Verhalten, hinuntergeschluckte Wut, gegen sich selbst gekehrte Aggression. Dies geschieht auf einsamen Posten im Raum, besessen treten die Akteure auf der Stelle, kommen nicht vom Fleck. Das macht sein Stück, das bei Tanz im August seine Uraufführung erlebte, zäh. Man sitzt, man leidet mit, man wartet.

Eine raumgreifende Dynamik bleibt die Ausnahme. Zu dritt entwickelt die Compagnie eine Sequenz, in der sie ihre Körper erst wie Mehlsäcke herumschieben und wie Wachsfiguren formen. Daraus folgt eine rüde Rempelei, ein Wegschieben und Ziehen, Fallen und Stoßen, das bald in einen Tanz übergeht. Solch eine Beschleunigung fehlte über weite Strecken. Katrin Bettina Müller

„The water fait mal“, noch heute, 20.30 Uhr, Theater am Halleschen Ufer (32), Kreuzberg