Italiens Regierung stützt Justizminister

■ Massive Kritik wegen der neuerlichen Verhaftung Priebkes nach dem Urteil

Rom (taz) – Die italienische Regierung hat sich gestern geschlossen hinter Justizminister Gianni Maria Flick gestellt, der sich wegen der erneuten Verhaftung des ehemaligen SS-Mannes Erich Priebke massiver Kritik ausgesetzt sah. In der Nacht nach dem Urteil vom 1. August war Flick noch als Retter aus einer schier ausweglosen Situation gefeiert worden, dann hatten ihn Verfassungsjuristen aus allen Lagern am Wickel: Flick soll einen schweren Verfassungsbruch begangen haben, als er den wenige Stunden vorher freigelassenen ehemaligen SS-Mann Erich Priebke für 96 Stunden in vorläufigen Arrest nehmen ließ, der danach vom Militär-Revisionsgericht in eine 40tägige Auslieferungshaft verwandelt wurde.

Selbst Mitglieder der Regierungskoalition meldeten massive Zweifel an, ob der „Lordsiegelbewahrer“ die Kompetenz zur Verfügung eines Arrestes hat. Flick verteidigte sich: „Ich würde es heute wieder genauso machen, ich habe kein Gesetz gebrochen und lediglich einen Notstand beendet.“

Das mit dem Notstand ist tatsächlich nicht übertrieben: Zehntausende waren in Rom in dieser Nacht unterwegs, weil das Militärtribunal Priebke zwar für schuldig am Massaker an 335 Zivilpersonen 1944 erkannt, ihm aber mildernde Umstände zugesprochen und so das ganze für verjährt erklärt hatte. Im Militärgefängnis Forte Boccea, in dem Priebke seine Siebensachen packte, fürchtete man einen Ansturm aufgebrachter Römer. Erst als Flick persönlich erschien und den Arrest verkündete, um den deutschen Behörden Zeit zur Übermittlung der Belege für ihren internationalen Haftbefehl gegen Priebke zu geben, beruhigte sich die Situation wieder.

Verfassungsrechtler kreiden Flick an, er habe die Gewaltenteilung nicht respektiert: „Die Verfügung eines Arrests ist ausschließlich Sache des Staatsanwaltes“, erklärt etwa der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Parlament, Pisapia, auch er aus den Reihen der Mitte-Links-Koalition, „alles andere ist ein verfassungswidriger Übergriff.“ Flick rechtfertigt sich damit, daß der Militärstaatsanwalt, der den Fall unter sich hatte, nicht greifbar war. Dagegen sei der Generalstaatsanwalt von Rom bei ihm gewesen, als er den Arrest verfügt habe. Dieser habe keinerlei Einwände vorgebracht. Der Verteidiger Priebkes, Di Rezze, hat inzwischen gar Strafantrag gegen Gianni Maria Flick gestellt – wegen Freiheitsberaubung und Entführung (Priebke war aus dem Militärgefängnis ins zivile Gefängnis Regina Coeli gebracht worden). Und damit die Sache gleich nach noch mehr aussieht, hat er auch Strafanzeige gegen den Oberstaatsanwalt beim militärischen Revisionsgericht hinzugefügt – der hatte den Arrest in die 40tätige Auslieferungshaft verwandelt. Laut Di Rezze ist dies ein ebenso widerrechtlicher Akt, weil Priebke aus Argentinien ausschließlich wegen des in Italien schwebenden Verfahrens um die Geiselerschießungen ausgeliefert worden sei und wegen anderer Vorwürfe nicht belangt werden könne. Werner Raith