Gegen den Stechschritt und die Betonköpfe

■ In Guatemala nähern sich Guerilla und Regierung einem Friedensabschluß

Guatemala-Stadt (taz) – Die guatemaltekische Regierung und die Guerillafront URNG haben sich am Mittwoch in Mexiko-Stadt darauf geeinigt, noch in diesem Jahr einen endgültigen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Seit Ende März, als zuerst die Guerilla und dann auch die Regierung eine einseitige Waffenruhe erklärten, ist zwischen den Kontrahenten kein Schuß mehr gefallen.

Vor allem in Militärkreisen kommen Reformen in Gange. Eine wichtige Friedensgeste hatte Präsident Arzu gleich zu Beginn seines Mandats am 14. Januar gemacht: Er weigerte sich, in die von der Armee kontrollierte offizielle Residenz einzuziehen. Auch daß das Amt des Armeesprechers mit Oberst Otto Noack besetzt wurde, deutet auf ein Umdenken innerhalb der Streitkräfte hin. Noack predigt seit Jahren, die Armee müsse sich modernisieren und den Gesetzen unterordnen. Seit einigen Monaten werden Offiziere, die in Autoschieberei, Kidnapping oder Drogengeschäfte verwickelt sind, nicht mehr von der Institution gedeckt, sondern der zivilen Justiz ausgeliefert. Militärs, denen grobe Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen werden, dürfen zumindest keine prominenten Posten mehr besetzen. Oberst Julio Alpirez, der jahrelang im Sold des US-Geheimdiensts CIA stand und beschuldigt wird, die Morde am US-amerikanischen Restaurantbesitzer Michael DeVine und am gefangenen Guerillakommandanten Efrain Bamaca angeordnet oder zumindest vertuscht zu haben, wurde seines Kommandos enthoben.

Die heikelste politische Frage ist die der Amnestie. Während dieArmee auf eine Generalamnestie für alle Verletzungen des Kriegsrechts – Massaker, Folter, außergerichtliche Exekutionen – pocht, wollen die Volksorganisationen die Massenmörder, die zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts die Guerilla durch die Vernichtung ihrer sozialen Basis besiegten, nicht so billig davonkommen lassen. Ursprünglich hatten die Kommandanten im geheimen einer allseitigen Amnestie als einfachstem Mechanismus für die Wiedereingliederung der Guerillakämpfer zugestimmt. Doch seit sich unter der Führung des erzbischöflichen Menschenrechtsbüros eine Front gegen die Straffreiheit gebildet hat, suchen die Verhandlungsteams eine juristisch praktikable Lösung, mit der eine Amnestie umgangen werden kann.

Ein Abkommen über Wirtschafts- und Sozialreformen, dem sich letztes Jahr noch Teile des Privatsektors vehement widersetzt hatten, wurde bereits Anfang Mai unterzeichnet. Große Umwälzungen in der Wirtschaftsstruktur sind freilich keine vorgesehen. Otto Villanueva, Angehöriger eines Opfers der politischen Verfolgung, ist denn auch mit der Guerilla unzufrieden: „Auf der einen Seite beenden sie den bewaffneten Konflikt, auf der anderen verschärfen sie die ungerechte Verteilung des Nationaleinkommens, die dem Konflikt zugrunde liegt.“

Gustavo Porras, ein ehemaliger Guerillero, bestreitet diesen Zusammenhang. Es sei die politische Ausgrenzung der Linken gewesen, die zum Krieg geführt habe, und mit deren Legalisierung sei nun das Grundproblem gelöst. Auch wenn die URNG an die Macht käme, würde sie keine radikale Landreform oder Enteignungen verordnen. „Der Globalisierung haben wir nichts entgegenzusetzen“, gestand einer der Verhandlungsführer bei einem Treffen mit den Organisationen der Zivilgesellschaft. Die immer zahlreicheren Guerilla- Kritiker monieren, die Friedensverträge brächten nicht viel mehr als ein langfristiges Programm zur ohnehin fälligen Modernisierung des Staatswesens. Ralf Leonhard