Balgereien gab es schon immer

Nach den Campingplatz-Überfällen machen Mecklenburg-Vorpommerns Kommunalpolitiker vor allem die Medien für das schlechte Image verantwortlich  ■ Von Kathi Seefeld

Leuchtend blauer Himmel über Mecklenburg-Vorpommern, sanft wellen die Wasser der etwa 380 Gewässer der „Mecklenburger Seenplatte“, und Vögel zwitschern natürlich zu Hunderten, ach was, tausendfach. „Nein“, sagt Wilfried Hadsik, Zeltplatzbetreiber am Plauer See, „man glaubt es kaum.“ Auch der Chef des Regionalen Fremdenverkehrsverbandes und parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Schweriner Landtag, Lorenz Caffier, hat so seine Zweifel.

Daß nur wenige Kilometer entfernt von Hadsiks „vorbildlich geführtem Campingidyll“ knapp einen Monat zuvor 48 Jungen und Mädchen mit Stahlrohren und Baseballschlägern über Camper herfielen und zum Teil krankenhausreif prügelten, läßt sich natürlich nicht schönreden. Doch daß die am wundervollen Plauer See „Sieg Heil“ skandierende Schlägertruppe rechte Radikale waren, organisiert und bereit, jederzeit wieder zuzuschlagen, wenn „Wessis“ oder andere „unliebsame Personen“ vertrieben werden sollen, das will niemand so recht glauben.

„Balgereien, die gab es schon in meiner Jugend, als ich zelten war“, erklärt der SPD-Landrat von Mecklenburg/Strelitz, Michael Kautz. „Wissen sie“, sagt Zeltplatzbetreiber Hadsik, „im Osten hatte Zelten früher eine andere Bedeutung. Die Leute konnten ja nirgends hin, also nahmen sie sich ein Zelt, was zu trinken mit, und dann ließen sie mal ordentlich die Sau raus.“ Im Westen suchte, wer Camping machte, eh und je Ruhe und Erholung.

„Glauben sie mir, die Jugend hier braucht einfach nur wieder etwas mehr Ordnung“, weiß auch Günther Urban, Bürgermeister der PDS in der Gemeinde Userin. Lediglich Jürgen Andrees, nach der Wende vier Jahre Landrat für die CDU in Parchim, scheint die Sache gar nicht zu gefallen. „Die Jugendlichen waren nicht arbeitslos, auch haben wir in unserer Gegend viele Strukturen der Jugendarbeit eben nicht plattgemacht. Doch kaum kommt da so ein Ziehvater, so ein über 40 Jahre alter Rattenfänger aus Hamburg-Bramstedt, lassen sich die Jungen und Mädchen mit Action ködern und verprügeln einfach Menschen.“

Andrees denkt, daß die Schlägereien erst Vorboten waren für weitere und andere auf Ost-West-Verteilungskämpfen beruhende Auseinandersetzungen. Er hofft, solange es keine Organisationen, sondern lediglich „braune Schlüsselfiguren“ gebe, werde nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern bundesweit gehandelt.

An der „Mecklenburger Seenplatte“ versuchte man erst einmal Schadensbegrenzung. Organisiert vom Fremdenverkehrsverband durften sich am Mittwoch JournalistInnen einen Tag lang davon überzeugen, wie schön Meck- Pomm in Wirklichkeit ist. Nicht Rechtsextreme seien das Problem, sondern die Medien. Die machten sich zu Handlangern derer, die der endlich florierenden Tourismusbranche Knüppel zwischen die Beine zu werfen versuchen, empörte sich Landrat Kautz. „Nach der Wende verzeichneten Bayern und andere alte Bundesländer enorme Tourismuszuwächse. Jetzt kommen die Urlauber zu uns. Weil sie hier hervorragende Bedingungen beispielsweise fürs Wasserwandern vorfinden.“

Jetzt habe die undifferenzierte Berichterstattung über die Schlägereien zu großen Verunsicherungen unter den Urlaubern geführt. Es gab zwar nur einige wenige Abreisen und Stornierungen, aber sehr viele Anfragen, ob die Situation auf den Zeltplätzen wirklich so grauenvoll sei, erläutert Carmen Kaplanow, Geschäftsführerin des Regionalen Fremdenverkehrsverbandes.

Seitens der Polizei wurde die Präsenz auf den Plätzen vorerst verstärkt. „Natürlich so, daß sich kein Urlauber belästigt fühlt“, betont Manfred Dachner, Leiter der zuständigen Polizeidirektion Neubrandenburg. „Abgesehen davon, daß – selbst, wenn wir mit zehntausend Leuten unterwegs wären – wir manche Dinge nicht verhindern könnten.“ Die Zeltplatzbetreiber verständigen sich per Telefon über auffällige Jugendgruppen, bislang sei aber nur einer Gruppe „stark alkoholisierte Personen“ der Zugang verwehrt worden. Zum Abschluß der Rundfahrt geben sich die Organisatoren des Regionalen Fremdenverkehrsverbandes noch einmal kämpferisch: Wer sich von einzelnen Ereignissen derart beeindrucken und seinen Urlaub deshalb sausen läßt, ist selber schuld.

Karl-Gustav Bräutigam, ein Hamburger, der mit seinen beiden Kindern auf Paddeltour unterwegs war und eine Nacht am Woblitzsee auf dem Zeltplatz „Havelberge“ zubrachte, ist erschüttert über soviel „Politikergeschwafel“. Bräutigam, beeindruckt von der spontanen und selbstlosen Hilfsbereitschaft der Leute in diesem Landstrich („Ich hätte jeden fragen können, ob er mir das Kanu umsetzen hilft“) hält die Probleme für größer als angenommen. „Heute nacht, auf diesem sehr schönen Zeltplatz, begannen ein paar Jungen eine andere Jugendgruppe zu belästigen. Nichts Ernstes, sie haben sie nur pausenlos mit Taschenlampen angeleuchtet. Aber die Situation schaukelte sich hoch.“ Erst als einige ältere Jugendliche dazukamen, konnte die Provokation beendet werden. „Das war nichts Dramatisches, aber mir fielen sofort die Prügeleien der letzten Wochen ein.“

Vor allem befremdet den Hamburger, daß niemand das Wort Rechtsradikalismus auch nur in den Mund nimmt. Statt mit offenen Karten zu spielen, gehe es Polizei und Politikern offensichtlich nur darum, Pfründen zu retten. „Wobei“, so Bräutigam, „man kann es ihnen nicht einmal verübeln. Genau das leben wir ihnen im Westen doch vor.“