Westspitzel bleiben noch länger unerkannt

■ Die Gauck-Behörde dechiffriert Magnetbänder des DDR-Geheimdienstes HVA

Berlin (taz) – Die Enttarnung früherer Westmitarbeiter des DDR-Auslandsgeheimdienstes HVA wird wohl noch länger auf sich warten lassen, als am Wochenanfang in verschiedenen Zeitungen berichtet wurde. Zwar werden gegenwärtig in der Berliner Gauck-Behörde magnetische Datenträger mit Angaben über die frühere Arbeit der Geheimdienstler ausgewertet – zum einen sind diese Bänder aber verschlüsselt, zum anderen steht die frühere von der HVA verwendete sowjetische Rechnertechnologie nicht mehr zur Verfügung.

7.830 Magnetbänder hat die Gauck-Behörde aus dem Nachlaß des Ministeriums für Staatssicherheit sichergestellt. 7.746 davon sind bisher gesichtet worden, ein Großteil ist unbespielt oder noch zu MfS- Zeiten gelöscht worden. Von den 2.225 beschriebenen Datenträgern haben nach Angaben der Gauck- Behörde rund 600 einen Bezug zur HVA, 200 davon werden zur Zeit analysiert.

Die Rechercheure der Gauck- Behörde gehen davon aus, nach dem Entschlüsseln der Bänder das „Gerüst der HVA-Registratur“ annähernd rekonstruieren zu können. Über die Registriernummern der einzeln erfaßten Vorgänge lasse sich jetzt bereits zwischen Tätern und Opfern des Geheimdienstes unterscheiden – und anhand der bisher ausgewerteten Aufzeichnungen können die Decknamen der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM), die zuständige Diensteinheit und der Führungsoffizier der Agenten identifiziert werden.

Noch aber gibt es nach Angaben der Mitarbeiter in der Stasi-Akten- Behörde keinen „Zugang zu den Klarnamen“ der früheren HVA- Mitarbeiter im Westen.

Eine neue Welle der Strafverfolgung – bisher hat die Bundesanwaltschaft insgesamt rund 6.600 Ermittlungsverfahren wegen der DDR-Spionage eingeleitet – ist aber auch bei einer weitgehenden Entschlüsselung der Bänder nicht zu erwarten. Der Vorwurf einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit gegen die Bundesrepublik verjährt nach fünf Jahren. Unter diese Verjährungsfrist dürften die meisten der auf Band erfaßten Vorgänge fallen. Prozesse kann die Karlsruher Anklagebehörde nur noch in Fällen eines schweren Landesverrats anstrengen. Paul Neumann