Von Babykost, Spenden und teueren Immobilien

■ Bonner Experten wollen Steuern erhöhen und dennoch geliebt werden

Berlin (taz) – Der Nachwuchs ist heilig: Babynahrung und Schulranzen sollten von der Mehrwertsteuer befreit werden, forderte unlängst der FDP-Abgeordnete Jürgen Koppelin. Das Bundesfinanzministerium pfiff den Familienfreund gestern zurück. Die von der Mehrwertsteuer befreiten Güter stehen nämlich in einem europaweit verhandelten Katalog der EU-Partner, und der kann nicht beliebig erweitert werden. Babynahrung wird daher wohl auch künftig mit dem Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belegt, Schulranzen mit 15 Prozent. Die Gretchenfrage bleibt: Wo sollen künftig Steuern erhöht, wo gemindert werden?

In der Sommerpause überbieten sich die Bonner Experten der Fraktionen mit immer neuen Vorschlägen zu einer Steuerreform. Daß eine höhere Mehrwertsteuer von 1999 an „vertretbar“ wäre, räumte unlängst sogar Finanzminister Theo Waigel (CSU) ein. Derzeit liegt der Normalsatz der Mehrwertsteuer (auch Umsatzsteuer genannt) bei 15 Prozent, der ermäßigte bei 7 Prozent. Im Vergleich mit dem europäischen Ausland kassiert der deutsche Fiskus relativ niedrige Umsatzsteuern: In Dänemark und Schweden sind 25 Prozent fällig.

Wird die Mehrwertsteuer erhöht – spätestens nach der Bundestagswahl 1998 –, lassen sich mit den zusätzlichen Einnahmen längst nicht alle Löcher stopfen. Wenn der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent beibehalten und nur der Normalsatz um einen Prozentpunkt erhöht wird, kassiert der Staat lediglich 14 Milliarden Mark mehr, so die Berechnungen des Münchner ifo-Instituts. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 18 Prozent würde demnach nur zu Mehreinnahmen von 42 Milliarden Mark führen – auch das nur rein rechnerisch. Denn eine höhere Mehrwertsteuer bedeutet höhere Preise, diese wiederum führen zu weniger Konsum, daraus folgen geringere Steuereinnahmen.

Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bedeute „eine gewisse Umschichtung von den direkten zu den indirekten Steuern“, sieht Waigel voraus. Mit den Mehreinnahmen durch die höhere Konsumsteuer soll nämlich die angekündigte Steuerreform mitfinanziert werden. Bis zum Jahresende will Waigel Eckpunkte die für 1999 geplante Reform vorlegen. Hinzu kommen Vorschläge von FDP, SPD und Grünen. In einem Punkt sind sich alle einig: Die Steuersätze müssen gesenkt werden, um das Wachstum anzukurbeln und Investitionen in Deutschland wieder attraktiver zu machen.

Waigel will zumindest den Spitzensteuersatz für Einkommen von derzeit 53 auf „unter 40 Prozent“ senken. Die SPD möchte den Eingangssteuersatz für Kleinverdiener dagegen von derzeit 26 auf 20 Prozent verringern und den Spitzensteuersatz auf etwa 45 Prozent mindern. Das klingt alles gut, unklar aber bleibt, ob sich der Staat den steuerlichen Befreiungsschlag leisten kann. Das Wundermittel: Steuerliche Subventionen müssen radikal abgebaut und bisher nicht besteuerte Einkommensteile belastet werden.

Möglichst jedes Einkommen, also auch Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit und Gewinne aus Immobilienverkäufen sollen besteuert werden. Bei den Finanzexperten der Parteien kursieren Pläne, die Werbungskosten- und Kilometerpauschale für ArbeitnehmerInnen abzuschaffen oder einzuschränken.

Auch die Hochverdiener, die ohnehin nie den Spitzensteuersatz berappen, sollen durch den Subventionsabbau bluten. Nach einer Rechnung des Europäischen Forschungsinstituts in Mannheim beträgt der tatsächlich gezahlte Spitzensteuersatz höchstens 36 bis 38 Prozent – dank der vielfältigen „Gestaltungsmöglichkeiten“ der Besserverdienenden. Werden die Abschreibungsmöglichkeiten, etwa für Immobilien, abgeschafft, dürften auch hier erheblich mehr Einkünfte zu versteuern sein.

Der CDU-Abgeordnete Gunnar Uldall kommt beim Subventionsabbau auf ein Plus von 80 Milliarden Mark. Die Empörung der Lobbyisten ist aber jetzt schon vorauszuhören. Schon protestierten die Vertreter des Wohnungsbaus. Die Stiftungsverbände und gemeinnützigen Vereine befürchten massive Einbrüche, wenn Spenden nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Und was ist mit dem Gleichheitsgrundsatz, wenn ein Arbeitnehmer klagt, weil er seine Berufskleidung nicht mehr absetzen kann, während sein selbständiger Branchenkollege diese als normale Betriebsausgaben geltend macht? Eine Steuerreform ist hochkompliziert. Einfacher ist es da, über Babynahrung zu reden. Barbara Dribbusch

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