■ Ein Leben ohne Führerschein?
: Die Umweltkarte ist billiger als Benzin

Brigitte Siedschlag, 45 Jahre, Angestellte

In Berlin ist das Leben mit Auto um einiges bequemer: Zur Arbeit bräuchte ich mit der BVG doppelt so lang. Auch ins Umland kommt man leichter. Nur zum Ku'damm nehm' ich die U-Bahn – da findet man nämlich keinen Parkplatz. Den Führerschein habe ich mit 21 gemacht. Seitdem habe ich ein eigenes Auto. Den Führerschein werde ich erst abgeben, wenn ich alt und fahruntüchtig bin.

Erika Christoph, 32 Jahre, Friseuse

Erst mit 21 hatte ich Geld und Lust, den Führerschein zu machen. Sehr zum Nutzen meiner Freunde, die beim Weggehen etwas tranken. Ich kutschierte sie dann durch die Gegend. Ich hatte jetzt drei Jahre lang ein Auto – bis daß der TÜV uns schied. Im Stau zu stehen mit eigener Musik ist viel bequemer als in der vollen U-Bahn. Als Frau und mit kleinen Kindern fühle ich mich viel sicherer als mit BVG und Rad.

Marc Jeffs, 31 Jahre, Architekt

Ich mache Urlaub in Deutschland. Hier sind die öffentlichen Verkehrsmittel viel besser ausgebaut als in England. Als ich mit 18 noch im ländlichen Brighton wohnte, war es wichtig, sofort den Führerschein zu machen. In London habe ich zwar auch ein Auto, fahre aber immer mit der U-Bahn zur Arbeit. Das ist viel teurer als in Berlin. Hier würde ich mir kein Auto anschaffen: zu umweltfeindlich.

A. Bohn, 58 Jahre, Gärtner

Ich habe alle Führerscheine. Die mußte ich machen, als ich zwölf Jahre lang bei der Bundeswehr verpflichtet war. Aber hier fahre ich kein Auto. U-Bahn- und Busverbindungen sind ausreichend und ziemlich zuverlässig. Die Umweltkarte ist billiger als Steuern, Versicherung und Benzin. Als Rentner werde ich wieder aufs schleswig-holsteinische Land ziehen. Mit gebrauchtem Auto.

Tibor Schnerwitzki, 14 Jahre, Schüler

Ich will den Führerschein mit 18 machen, so schnell wie möglich. In meiner Klasse kenne ich niemanden, der ihn nicht machen will. Mit dem Auto komme ich schneller voran als mit der BVG. Mir ist es egal, wieviel Autos es in Berlin gibt. Wenn Stau ist, fahre ich halt BVG. Wie teuer der Schein sein wird, weiß ich nicht. Meine Eltern bezahlen die Hälfte. Und in zwei Jahren bin ich aus der Schule.

Hannelore Witzel, 84 Jahre, Rentnerin

Vor 1945 war ich Kindergärtnerin in Schlesien. Die Gauverwaltung wollte, daß ich mit dem Motorrad fahre. Dann sollte ich noch den Autoführerschein machen. Doch da wurden wir vertrieben und waren so arm, daß wir von vorne anfangen mußten. Ein Führerschein war da nicht drin. Ich könnte heute noch heulen, wenn ich die anderen fahren sehe. Heutzutage muß ich mit meinem blinden Auge laufen.

Umfrage: Isabel Fannrich

Fotos: Annette Walter