■ Mit Italiens Deflation auf du und du
: Die Preise sinken

Rom (taz) – Überraschung beim monatlichen Inflationsbericht Italiens: Erstmals seit 1968 sinken die Verbraucherpreise im inflationsfreudigsten EU- Land. Während in Deutschland die Inflation bei 1,6 Prozent liegt, melden die statistischen Ämter Italiens, der Korb mit den 500 repräsentativen Waren sei um 0,2 Prozent billiger als im letzten Juli – und das bei einem um 1,2 Prozent gewachsenem Bruttoinlandsprodukt.

Zu Buche geschlagen hat dabei nach Angaben von Wirtschaftsminister Carlo Azeglio Ciampi insbesondere eine Verbilligung auf dem Energiesektor durch Strompreissenkungen. Doch auch der sinkende Konsum in Italien und der Einbruch im Tourismussektor nach der Rückkehr zu weniger günstigen Lira-Umtauschquoten hat die Anbieter zu niedrigeren Preisen gezwungen. Am stärksten war das im reichen Nordosten in Triest zu bemerken, wo die Preise um fast einen Prozentpunkt sanken, während in Turin noch ein Anstieg von knapp 0,1 Prozent verzeichnet wurde.

Das unerwartete Ergebnis hat freilich nicht nur Freude ausgelöst. Hersteller und Händler sind besorgt. Giampaolo Galli, Direktor des Marktforschungsinstitutes des Industriellenverbandes, fürchtet: „Wir können leicht in eine Dauerdeflation geraten, die uns die Wirtschaft ebenso ruiniert wie eine galoppierende Inflation.“ Beunruhigt sind auch die Gewerkschaften – allerdings aus anderen Gründen: „Jetzt werden uns die Arbeitgeber bei allen Tarifverhandlung die Deflation vorhalten und eine Nullrunde verlangen“, sorgt sich der Chef des größten Dachverbandes CGIL, Sergio Cofferati. „Aber da gibt es bei uns kein Skonto; schließlich haben wir uns jahrzehntelang weit unter der Inflationsrate beschieden“, fügt er schnell hinzu. Außerdem könnte die Deflation schon bald zu Ende sein: Im nächsten Monat werden nämlich die Autobahngebühren und viele Versicherungsprämien erhöht.

Die Regierung feiert die Deflation als Triumph. Jetzt will sie die durchschnittliche Inflationsrate von 1996 auf 2 Prozent bringen; noch liegt die Bilanz der ersten Monate bei 3,6 Prozent. Werner Raith