■ Ökolumne
: Krank gekocht Von Thomas Worm

Es muß nicht immer Forpfen sein, die Kreuzung von Forelle und Karpfen aus der genetischen Haute Cuisine. Auch der Cheeseburger am Nebentisch könnte gentechnisch erzeugte Enzyme enthalten, ebenso die Fertigpizza im eigenen Kühlschrank. Gar nichts davon muß auf der Verpackung stehen. Bei verarbeiteten Lebensmitteln dürfen transgene Stoffwechselprodukte ohne jeden Hinweis zugesetzt werden. – Die Gentechnik ist die Wundertüte des anbrechenden Jahrhunderts. Nicht nur matschfeste Kartoffeln, auch fettarmes Eisbein ist keine Utopie mehr. Und morgen? Vielleicht Kirschen mit Pfirsicharoma oder kichernder Streuselkuchen...

Zum Leidwesen der Industrie ist das Anpassungstempo des menschlichen Körpers beschränkt. Schon die normalen chemischen Phantasieprodukte erweisen sich als schwer bekömmlich. Das US-Kunstfett Olestra von Procter und Gamble sorgt nicht nur für sahnig- buttriges Mundempfinden bei Null Kilojoule. Es erzeugt auch Durchfälle, spült Minerale und Vitamine aus dem Körper.

Sind wir, was wir ausscheiden? Dann wären wir zumindest voller Einfallsreichtum. Der Verdauungstrakt von Millionen US-BürgerInnen arbeitet schon heute nur dank des kunstvollen Wechselspiels von Verstopfungs- und Abführmitteln. Was wäre cleverer, als sie gleich in die Nahrung einzubauen?

Nicht allein Schwermetalle und Antibiotika, Nitrosamine und Chlororganika bereichern unsere Nahrung. Nach WHO-Schätzungen stecken 5.000 Chemikalien in Schokoriegeln, Fitneßjoghurts, Truthahnbällchen. Industriell verwurstete Natur, die aufgemotzt ist mit Ersatzfetten, Süßstoffen, Emulgatoren, Konservierungsmitteln, Kunstaromen und Geschmacksverstärkern. Chemie vom Reinsten.

Und beim Wettlauf um das Wasser im Munde schauen die Konzerne ihren Kunden genau ins Maul. Im Geschmackslabor von Nestlé am Genfer See werden die Vorlieben der internationalen Gaumen ergründet. Brasilianer wollen Mayonnaise von intensiverem Gelb. Und Italiener mögen Frankfurter auf gallische Art: besonders deftig. Food-Engineering kann fast jede Geschmacksrichtung, Konsistenz und Farbe zusammenzaubern.

Doch die mit unzähligen Werbemilliarden angepriesenen Kunstappetizer machen krank. Viele der 30 Millionen Allergiker hierzulande reagieren auf Lebensmittel. Zudem hat fast jeder zweite Übergewicht, wesentliche Ursache für den Volkskiller Nummer eins: Herz- und Kreislaufkrankheiten. Ebenso hängt Volkskiller Nummer zwei, Krebs, mit schlechtem Futter zusammen: „Ein Drittel bis die Hälfte aller Krebserkrankungen wird durch die Ernährung verursacht“, sagt der Würzburger Stoffwechselmediziner Heinrich Kasper. Als Ausgleich für Cremekugelexzesse und Tiefkühlorgien offerieren die Supermärkte Vitaminbonbons, Ballaststoffe oder Schlankmacher. Ebenfalls denaturierte Nahrung – ohne Gesundheitsgarantie.

Novel-food aus der Genküche wird die Verlockungen ins Unüberschaubare steigern. Die gengepanschte Flav'r-Sav'r-Tomate verliert auch nach 14 Tagen nicht ihr prallrotes Grinsen, dafür aber wertvolle Inhaltsstoffe. Die gentechnisch erzeugten Ursachen von Mangelerscheinungen, Kreuzallergien, medikamentöse Resistenzen werden sich vielleicht erst nach Jahren herausstellen. Strikte Kennzeichnungspflicht aller transgener Lebensmittel verstünde sich daher von selbst. Gruß an die EU-Kommission in Brüssel, wo das Europaparlament ihren Entwurf der Novel-food-Verordnung wegen zu laxer Kennzeichungsvorschriften abgeschmettert hat.

Was sich guten Gewissens essen läßt, wissen heute die wenigsten. Was nutzt da also Gesundheitsbewußtsein? In den USA artikuliert sich bereits die „We are fed up“-Bewegung: Schluß mit Kalorientabellen und Cholesterinwerten! Es wird wieder gemampft. Die Schmerbäuche rebellieren. Oder kapitulieren sie bloß?