Schimpff gegen die Schande

■ Führende sächsische CDU-Politiker setzen „bayerische“ Neuregelung beim Abtreibungsrecht auf die Tagesordnung

Dresden (taz) – Schärfere Gesetze kommen auf leisen Sohlen. Nachdem drei führende CDU- Mitglieder mitten im Sommerloch für Sachsen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts analog der bayerischen Regelung gefordert haben, muß sich nun der sächsische CDU-Landesvorstand auf seiner Sitzung am kommenden Sonnabend mit diesem Vorstoß beschäftigen.

Generalsekretär Steffen Flath kommentiert die Initiative zurückhaltend: Er sehe die Gefahr, daß Politiker allein mit einer Änderung des Schwangerenberatungsgesetzes ihr Gewissen beruhigen wollen. Zunächst sei die Frage zu stellen, welchen Wert Familie und Kinder in der Gesellschaft noch haben. Dazu sollten „sämtliche Gesetze auf ihre Kinder- und Familienfreundlichkeit hin überprüft werden“. Vor der Sommerpause hatte Sachsens Landtag ein Haushaltsbegleitgesetz beschlossen, das die Gruppenstärke in Kindertagesstätten erhöht und über 1.000 Erzieherinnen arbeitslos macht.

UnterzeichnerInnen des Papiers zum verschärften Abtreibungsrecht sind drei stellvertretende Landesvorsitzende der Partei, die in den für diese Sache wichtigsten Ausschüssen des sächsischen Landtages sitzen, in denen die CDU mit absoluter Mehrheit ausgestattet ist. Frauen sollen danach zu umfassender Auskunftspflicht verdonnert werden. „Reicht es aus“, fragt Volker Schimpff, Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses, „schweigend auf einer Beratungsstelle gewesen zu sein und dafür eine unterschriebene Blankobescheinigung zu erhalten?“ Die Vorsitzende des Schul- und Jugendausschusses, Rita Henke, argumentiert sogar: „Wir diskutieren erbittert über Kommastellen bei Klassenteilern, lassen es aber zu, daß Hunderttausende Kinder gar nicht erst geboren, sondern zerstückelt und abgesaugt werden.“

Sachsens Sozialminister Hans Geisler, der auch Mitglied des CDU-Landesvorstandes ist, sieht dagegen „keinen Handlungsbedarf“ für ein Landesgesetz nach bayerischer Art. In Sachsen, so sein Sprecher, hätten bisher nur 0,5 Prozent der Frauen beim Beratungsgespräch keinen Grund angeben, und für diese wenigen Frauen extra ein Gesetz anzufertigen wäre „wohl etwas übertrieben“. Mit Entsetzen vernahmen die sächsischen Beratungsstellen die Iniative der drei Stellvertreter. „Quer durch die Verbände“ sei man sich einig, jeden Versuch abzulehnen, das mühsam geschaffene Bundesrecht zu verschärfen. Das hat die zuständige Referentin im Diakonischen Werk, Inge Hofmann, klargestellt. dek