Keine Biker, kaum Biß

■ Es bedurfte schon eines Wolkenbruchs, daß der FC St. Pauli sein Pokalspiel beim Drittligisten Rot-Weiß Oberhausen doch noch mit 4:1 gewinnen konnte

Pokalzeit, Floskelzeit. Da spielt der „wackere Amateur“ gegen „den hochbezahlten Profi“, „David gegen Goliath“ gar, und die Schadenfreude ist riesig, wenn „der Kleine dem Großen ein Bein stellt“. Selbiges hatte sich auch Rot-Weiß Oberhausen vorgenommen und neben Cheerleadern und Fallschirmspringern auch extra ein Dutzend Motorradfahrer angeheuert, die zu den Klängen von Steppenwolfs „Born To Be Wild“ die Spielfläche des Niederrheinstadions umkreisten.

Derart motiviert stürmte der letztjährige Aufsteiger der Regionalliga West-Südwest einfach drauflos, als gelte es, durch gekonnte Dribblings und raffinierten Kombinationsfußball den Nachweis zu führen, daß die hohe Fußballkunst in den dritten Ligen zwischen Cottbus und Ditzingen gezeigt wird – und garantiert nicht in der Bundesliga, beim FC St. Pauli.

Dessen Bewegungsaufwand war gleich null, ein Stürmerproblem in Ermangelung jedweder Angriffe nicht zu erkennen: Ideenlosigkeit als Programm. Kein Wunder, daß der bessere der beiden Pröpper-Cousins Thomas hieß und für Oberhausen spielte. Eher schon, daß sein Tor aus der 24. Minute das einzige in der ersten Hälfte blieb. „Wir haben den Gegner unterschätzt und wurden zu Recht bestraft“, sah auch St. Paulis Trainer Uli Maslo nicht den Anlaß, den Spottgesängen der RWO-Fans zu widersprechen: „Erste Liga – keiner weiß warum!“

Da hanseatische Bikergangs kurzfristig nicht zu organisieren waren, mußte der Motivationsschub zur zweiten Halbzeit anderweitig beschafft werden. Für Heimspielatmosphäre an der Emscher sorgte dann dankenswerterweise ein Wolkenbruch, der einen Großteil der Tribünenbesucher ins Auto und die Gästekurve zu siegessicheren Gesangsarien trieb.

„Hamburger Wetter“ wurde skandiert, und schon fielen die Tore vor fast 10 000 Zuschauern im Abstand der Regenschauer: André Trulsen mit einem Kopfball (57.) und wenig später der eingewechselte Luiz Firminho Emerson (62.). Kurz vor Schluß – der Oberhausener Günter Abel hatte bereits die rote Karte und St. Paulis Tore Pedersen die gelb-rote Version erhalten – trafen noch einmal Carsten Pröpper (87.) und Thomas Sobotzik (89.). „Letztlich war der Spielverlauf aber nicht so klar, wie es das Ergebnis widerspiegelt“, erkannte Maslo, der seiner Mannschaft in der Pause „den Kopf gewaschen hatte“.

Dennoch: Die spielerisch bessere Mannschaft trifft am nächsten Spieltag auf die Spielvereinigung Elversberg und nicht auf den FC Bayern München. Ein nur schwacher Trost, zumal für die Oberhausener Hooliganszene. Angesichts der gen Bahnhof abwandernden Hamburger Anhänger rief ein Gewaltfanatiker seinen nicht minder unterbemittelt dreinblickenden Gesinnungsgenossen zu: „Mann, alles Zecken. Die besetzen Häuser, die! Warum hauen wir denen nicht auf die Fresse?“ Gute Nacht, allerseits.

Christoph Ruf siehe auch Leibesübungen