Glaspalast bleibt Luftschloß

Das Groß-Projekt „Kaufhaus des Nordens“ am Hauptbahnhof steht vor dem Scheitern – und Voscherau und Kossak vor der Blamage?  ■ Von Florian Marten

„Dann ist der Senat angeschmiert. Diesmal hat er ausnahmsweise alle Vorleistungen gebracht – und jetzt entscheidet das Unternehmen nicht. Das ist ein Skandal.“ Der SPD-Abgeordnete Peter Kämmerer zeigt schon mal vorsorgliches Mitleid mit Stadtchef Henning Voscherau (SPD), Oberbaudirektor Egbert Kossak und Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos). Anlaß ist Deutschlands mächtigster Mischkonzern, die Metro AG, die sich beharrlich weigert, dem Senat zu verraten, ob sie das knapp vor den Wahlen 1993 verabredete 150-Millionen-Mark-Projekt eines gigantischen Glaspalastes „Kaufhaus des Nordens“ (KadeNo) zu verwirklichen gedenkt.

Im September 1993 hatten Voscherau und Kossak im Verein mit der Kaufhof AG die Grenzen der Hamburger Verfassung getestet und in einem bezirkspolitischen Handstreich die „Vorabgenehmigung“ für die Verschmelzung von Horten und dem denkmalgeschützten Kaufhofgebäude von 1913 an den Langen Mühren durchgesetzt. Der Deal, den auch damalige Bedenken von Kultursenatorin Christina Weiss (parteilos) nicht stoppen konnte, sah vor, daß die Stadt die Unterführung vom Hauptbahnhof umbaut und die Straße „Lange Mühren“ an den Investor verkauft.

In den bisherigen Stadtentwicklungskonzeptionen, vor allem dem sogenannten „Gestaltungsrahmen“ für Lange Mühren und Mönckebergstraße von 1987, wurde der kleinen Straße eine ganz andere Rolle zugewiesen: Sie sollte offenes Herzstück einer neuen Achse von der Elbe zur Alster werden, insbesondere Verwaltungen, Geschäfte und Büros des Geesthangs fußgängerfreundlich in die City einbinden. Die Stadt hat anschließend nicht nur ihre Prinzipien aufgegeben, sondern auch 13 Millionen Mark aus dem leeren Stadtsäckel gekratzt, um die Unterführung Metro-gerecht umzubauen.

Doch die Metro lacht nur: „Es gibt noch keine Entscheidung. Wir wissen noch nicht, ob wir das Projekt einstellen oder realisieren.“ Mit fröhlicher Stimme bekennt sich die Metrosprecherin in Köln schuldig im Sinne der Anklage: Immer mehr Indizien weisen darauf hin, daß die Metro AG „nur einen Grund sucht“, wie Peter Kämmerer formuliert, „um aus dem Projekt auszusteigen“. Schließlich, so erfuhr die taz aus der Stadtentwicklungsbehörde, hatte die Metro bereits für März 1996 eine definitive Entscheidung versprochen. In der Beantwortung einer kleinen Anfrage Kämmerers, der sich nach dem Fortgang des Projektes „Luftschloß“ erkundigte, verrät der genervte Senat, daß er auf eine „Entscheidung im Frühherbst“ hofft, ansonsten aber leider „keinen Einfluß“ darauf habe, „zu welchem Zeitpunkt beabsichtigte Investitionsentscheidungen realisiert werden“.

Nicht nur das Zögern der Metro AG ist ein Indiz für das drohende Scheitern: Der Kaufhof-Konzern, der 1993 gerade Horten geschluckt hatte, wollte um fast jeden Preis ein attraktives Hamburger Flaggschiff. Das ist der Metro, in deren gewaltigem Bauch Horten und Kaufhof mittlerweile verdaut werden, herzlich egal. Hier geht es nicht um Prestige, sondern um harte D-Mark: Die schlechte Kaufhaus- konjunktur, die harte Konkurrenz in Hamburgs City, die miese Gesamtkonjunktur und die hohen Kosten des Glasprojektes sprechen gegen die Investition.

Inzwischen machen sogar ganz andere Gerüchte die Runde: Horten werde verkleinert, der Kaufhof verfeinert – und statt eines Glaspalastes droht nun der Verlust von Arbeitsplätzen im Einzelhandel.