Bloß Krill und Algen

■ Heute auf 3sat: Ein Bremer Film über japanische Städte im Meer

Via Holland und Monaco einmal Japan und zurück – das dürfte Kilometerrekord für Bremer Filmemacher sein. Gewöhnlich reist auch Michael Wolff bei den Recherchen für seine Produktionsgesellschaft „fact + film“ nicht so weit. Aber das Thema seiner jüngsten Dokumentation ist entsprechend ungewöhnlich: „Städte im Meer – Künstliche Inseln“.

Eigentlich ist der Bremer in der nüchternen Welt des öffentlich-rechtlichen Dokumentarfilms zu Hause. „Der Diamant aus der Kokosnuß“, „Die Reinigung öliger Abwässer“ oder „Wohnen ohne Autos“ sind einige der Produktionen, mit denen sich der ehemalige Hörfunkjournalist als hochklassiger Lieferant für Filme aus dem Bereich Technik und Wissenschaft bislang profiliert hat. Doch gerade die „Städte im Meer“ haben den Science-fiction-Fan Wolff schon lange fasziniert. Schließlich waren die Zeitungen in den fünfziger Jahren voll von Prognosen: Auf künstlichen Inseln würden futuristische Städte im Meer entstehen; der Mensch lebt von Krill und Algen. „Was ist denn geworden aus all diesen Visionen? Im Grunde ist das ein perfektes Thema“, findet er, vor allem, weil aus den Science-fiction-Geschich-ten besonders im engen Japan mehr und mehr Wirklich-keit werde. Den Namen und die notwendigen Kontakte, um auch abseitige Themen unterzubringen, hat Wolff. „Die Leute fragen sich natürlich, wie man einen Film von etwas machen soll, von dem es anscheinend nichts zu zeigen gibt.“ Aber Wolffs Spezialität ist es, genau dann die Bilder zu finden, die sich versilbern lassen. „Ich bin zwar als Autodidakt an das Filmemachen rangegangen. Aber ich bin ein sehr visueller Mensch, kann fotografieren.“

Auf dem Kongreß „Ocean Cities“, der im letzten Jahr in Monaco stattfand, sammelte der Bremer erste Aufnahmen von schrulligen Nautik-Wissenschaftlern, kühnen Visionären und Architekten. „Aber bald war klar, daß wir nach Japan mußten. Da ist Baugrund so teuer, daß sich die Entwickung von Städten im Meer wirtschaftlich lohnt“, sagt Wolff. Auf Okinawa filmte er zum Beispiel die monströse, rostige „Aquapolis“, ein mittlerweile heruntergekommener erster Versuch aus den 70ern, eine künstliche Insel zu schaffen, und den schwimmenden Flughafen von Osaka. Das Ergebnis der Recherchen fanden 3sat und der WDR so spannend, daß der Film über die Architektur auf dem Wasser über den Äther geht.

Nach Spannung und Abenteuer sieht es in den nüchternen Räumen der „fact + film“-Produktionsgesellschaft in der Keplerstraße im Viertel nicht aus. In der Garderobe werden bei Bedarf keine Bekannten auf Kurde getrimmt, der Michael Born-Faktor geht gegen Null. Die Hörfunk-Wurzeln haben Wolff geprägt. Fast nostalgisch erinnert er sich an die 70er Jahre, als er noch „20minütige Features mit zwei Musiken dazwischen“ machen konnte. Mit dem Aufkommen des Privatfunks wurden genau diese Feature-Plätze weggekürzt – Zeit für eine Neuorientierung in Richtung Fernsehen, wo der Abnehmerkreis für lange Beiträge größer ist, denn, so Wolff: „Für 1 Minute 30 muß ich nicht loslaufen.“

Der personelle Aufwand ist bei „fact + film“ außerordentlich gering. Wolff und seine Produktionsleiterin Stefanie sind die ganze Firmenbelegschaft. Der Rest, vom Kameramann bis zur Cutterin, wird bei Bedarf angemietet. Eine branchenübliche Notwendigkeit, schließlich kostet eine 16/9-Format-Digitalkamera 140.000 Mark.

Lars Reppesgaard

„Städte im Meer“ auf 3sat: 1. Teil (Japan) am Montag, 12. 8., 21.30 Uhr, Teil 2 (Europa und USA) 9. 9., 21.30 Uhr