Eine abgestandene Regenpfütze als Aphrodisiakum Von Ralf Sotscheck

Schon wieder eine Gemeinheit aus Brüssel. Diesmal ist sie gegen englisches Bier gerichtet. In England darf jeder Kneipier, der durch Verträge an eine Brauerei gebunden ist, außerdem ein „Gastbier“ einer anderen Brauerei verkaufen. Darunter fallen aber nur Biere, die nicht gefiltert oder pasteurisiert sind, sondern im Faß weitergären. Diese Regelung diskriminiere Biere aus anderen EU-Ländern, entschied die EU-Kommission, denn solch ein „Real Ale“ gebe es nur in Großbritannien. Es wird ohne Kohlensäure gezapft und schmeckt wie abgestandene Sockenwaschlauge.

Das sehen eingefleischte Fans freilich anders. Sie haben sich in der „Campaign for Real Ale“ (Camra) zusammengeschlossen und geloben, niemals ein Lagerbier – jenes geschmacksneutrale englische Helle – durch ihre Kehlen rinnen zu lassen. Mike Betts von der Woodforde-Brauerei in Norfolk, deren Gesöff beim „Großen britischen Bierfestival“ in London vorige Woche der Titel „Champion-Bier“ verliehen wurde, sagte: „Wir sind sehr besorgt.“ Er findet das Urteil unfair, weil niemand außerhalb Großbritanniens seine Sockenbrühe wolle und man deshalb auf den einheimischen Markt angewiesen sei. Merken die bisher wahrlich nicht verwöhnten britischen Bierfreunde auf einmal, wie Bier schmecken kann, sind die Marktanteile für „Real Ale“ futsch, argwöhnt Betts wohl. Camra-Forschungsmanager Ian Howe fürchtet, das Urteil der Kommission könne für 200 kleine englische Brauereien den Todesstoß bedeuten.

„Kein großer Verlust“, meinte der Wirt eines irischen Pubs in Kilburn, dem irischen Viertel Londons. „Müssen sie eben Guinness trinken, das täte den Camra- Schlaffis gut. In Uganda wurde es auf dem Schwarzmarkt als Aphrodisiakum verkauft.“ Das ist vorbei, nachdem Uganda vor kurzem als 48. Land in die Guinness-Familie aufgenommen wurde. Bis 1971 wurde das irische Nationalgetränk aus Kenia importiert, doch Diktator Idi Amin verhängte ein Embargo. Danach gab es Guinness nur noch als Schmuggelware.

Kaum hat die Brauerei in Kampala das erste Faß ausgeliefert, da ranken sich schon wieder Legenden um das Gebräu. Ein „Mulokole“, ein wiedergeborener Christ, soll sein Priestergewand nach drei Flaschen Guinness verbrannt haben und in den Club der Sünder eingetreten sein. Andere berichteten, sie seien schon nach einer einzigen Flasche von Malaria geheilt worden. Ein 90jähriger fühlte sich in seine Jugend zurückversetzt. „Wenn wir früher mit einem Mädchen verabredet waren, haben wir vorher eine Flasche Guinness getrunken“, wird er in einer Zeitung zitiert. „Dann hat man ewig durchgehalten.“

Mit dem irischen Original hat die ugandische Variante wenig zu tun. Das in Kampala gebraute Guinness wird den „landesüblichen Trinkgewohnheiten“ angepaßt. Die kleine irische Emigrantengemeinde in Kampala hält von dem Gebräu denn auch nichts. „Es schmeckt überhaupt nicht wie Guinness“, sagte eine Entwicklungshelferin aus Dublin, „es erinnert an eine abgestandene, olle Regenpfütze.“ An „Real Ale“ also. Vielleicht kann Camra das Zeug ja als Aphrodisiakum vermarkten, wenn es als Bier nicht mehr zu verkaufen ist.