„Trittin redet über die PDS wie ein Eunuche über die Liebe“

■ Klaus-Dieter Feige, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern: Die grüne PDS-Debatte kommt zu spät

taz: Jürgen Trittins Äußerung, er schließe eine Koalition der Grünen mit der PDS nicht aus, hat zu heftiger Kritik in Ihrer Partei geführt. Haben plötzlich auch die Grünen eine PDS-Debatte am Hals?

Klaus-Dieter Feige: Jürgen Trittin hat doch nur Hans-Joachim Tschiche nachgeplappert. Der Fraktionschef der Grünen in Magdeburg hat als erster eine solche Äußerung hinsichtlich der PDS gemacht, und erst danach hat Trittin sich getraut nachzuziehen. Bei Trittin habe ich ohnehin immer den Eindruck, wenn er vom Osten und insbesondere von der PDS redet, dann ist das, als wenn ein Eunuche über die Liebe spricht: Er kennt das alles theoretisch, aber er weiß nicht, wie es wirklich ist.

Führen die Grünen die Debatte über die PDS nicht auch zu spät?

Ja. Und wir führen sie bis jetzt im Osten und im Westen leider getrennt. Mir fehlt da das verbindende Element. Außerdem ist der Zeitpunkt für eine solche Diskussion jetzt wirklich bescheuert. Wir sind gerade dabei, die Bündnisgrünen im Osten wieder zu profilieren. Wir wollen wegen unserer Politik gewählt werden. Eine vordergründige Debatte über Grüne und PDS lenkt da nur ab, es geht bei ihr nicht um Inhalte, sondern nur um Machtoptionen.

Aber geht es nicht um die? Bei den Landtagswahlen 1998/99 entscheidet sich das Schicksal der Bündnisgrünen im Osten. Derzeit sitzt Ihre Partei nur in Sachsen- Anhalt im Landtag. Ihr Parteifreund Olaf Möller aus Thüringen meint, daß die Grünen in dieser Situation eine realistische Machtperspektive benötigen. Und die ist ohne PDS nicht zu haben.

Das Problem ist, daß wir die Bedingungen für eine solche Machtoption nicht nennen. Die finde ich auch in dem Positionspapier von Olaf Möller nicht.

Dort steht eine klare Prämisse: Es muß im Osten eine Alternative zur Großen Koalition und zu einer CDU-Alleinregierung wie in Sachsen geben. Die Mehrheit, die links von der CDU existiert, muß politisch wirksam werden.

Aber es geht doch nicht nur darum zu verhindern, daß die CDU an der Regierung ist. Wir müssen deutlich sagen, was wir in Zusammenarbeit mit der PDS oder gar in einer Koalition mit ihr erreichen wollen. Eine Schwierigkeit dabei ist, die PDS-Positionen genau zu definieren. Wir in Mecklenburg-Vorpommern haben wenig Probleme, Gemeinsamkeiten mit der Landesspitze der PDS herzustellen. Aber die Positionen der PDS-Mitglieder an der Basis unterscheiden sich oft sehr radikal von denen ihrer Parteiführung.

Ich habe in einigen Bereichen, der Verkehrspolitik etwa, ja schon Schwierigkeiten, mit der SPD zusammenarbeiten. Und bei einer möglichen Dreierkoalition von SPD, PDS und Grünen besteht die Gefahr, daß wir nur noch als politischer Mehrheitsbeschaffer angesehen werden. Wenn wir nicht gleich bei den nächsten Wahlen darüber stolpern, dann sind wir spätestens vier Jahre danach politisch tot.

Aber halten Sie deswegen die Forderung für falsch, die Bündnisgrünen müßten sich der PDS öffnen?

Ich weiß nicht, was das heißt: Wir müssen uns der PDS öffnen. Die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern haben eine klare Aussage getroffen: Die PDS ist eine ganz normale Partei, sie konkurriert mit uns wie die SPD oder die CDU. Wenn wir in den nächsten Landtag kommen, und das ist unsere vordringlichste Aufgabe, entscheiden wir danach, ob eine Zusammenarbeit mit der PDS wünschenswert und möglich ist.

Wir wollen zum Beispiel nicht, daß der Transrapid gebaut wird und durch Mecklenburg fährt. Ich könnte mir vorstellen, daß wir nach den Wahlen sagen, wer mit uns zusammenarbeiten will, der muß versuchen, mit uns den Transrapid zu verhindern. Solange jedoch die PDS-Diskussion ohne solche inhaltlichen Prämissen geführt wird, halte ich sie für kontraproduktiv.

Am Ende kommen Sie aber genau da an, wo auch Trittin gelandet ist: Sie schließen eine Koalition mit der PDS nicht aus.

Ich möchte mir das so nicht in den Mund legen lassen. Eine Koalition mit der PDS, wie auch immer sie genau aussehen würde, wäre für unsere Partei genauso kompliziert wie eine schwarz-grüne Koalition. Es gäbe, besonders im Osten, die gleiche Zerreißprobe, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Wer meint, der Zusammenschluß von Bündnis 90 und den Grünen im Osten habe im Vergleich zur Bundespartei eine radikal-linke Bewegung hervorgebracht, der verniedlicht die Spannungen in unserer Partei. Wer mit der PDS zusammenarbeiten oder eine Koalition mit ihr eingehen will, der muß die Probleme, die einige unserer Mitglieder damit hätten, ernst nehmen. Interview: Jens König