Boden unter den Füßen

Waltershof: Im „Duckdalben“ machen seit zehn Jahren Seeleute aus aller Welt fest  ■ Von Stefanie Winter

Ein Anker, ein Duckdalben, ein Haus. Für viele Seeleute, die nach monatelanger Fahrt für wenige Stunden von Bord gehen, ist dies ganz Hamburg. Ein Stück Zuhause will der „seamen's club Duckdalben“ denen anbieten, die alles zurückgelassen haben: Familie und Freunde, Sprache und Kultur, ihren Alltag. Und selbst den festen Boden unter den Füßen.

Duckdalben – die in den Elbgrund gerammten Pfahlbündel zum Festmachen von Schiffen – gaben dem Treff vor zehn Jahren seinen Namen; eine steht direkt vor der Haustür. Während drei weitere Seemannshäuser, das katholische „Stella Maris“ und zwei evangelische Einrichtungen, nördlich der Elbe in Stadtnähe liegen, kommt die Duckdalben-Seemannsmission in Waltershof den Schiffen und ihrer Besatzung näher. Wer möchte, wird mit Kleinbussen am Schiff abgeholt und auch wieder zurückgebracht.

Zivi Frank Roth fährt seit einigen Monaten mehrmals täglich diese Touren über Kaianlagen und Containerterminals, während Hafenarbeiter dort rund um die Uhr die Ladung löschen. Franks Arbeitstag beginnt nachmittags um drei und endet kurz vor Mitternacht. Kein Problem, meint der 20jährige, im Gegenteil. „Man geht jeden Abend nach Hause mit dem Gefühl, etwas besonderes erlebt zu haben.“ Er wurde eingeladen zu einem griechischen Essen an Bord eines Frachters; ein indischer Seemann erzählte ihm, auf welche Weise in seiner Heimat Ehen geschlossen werden. „Man bekommt Einblicke in Kulturen, von denen man sonst kaum etwas erfährt.“

Selbst zur See zu fahren, kann Frank sich nicht vorstellen. Die deutschen Seeleute, die er kennengelernt hat, seien alle geschieden. Auch Jan Oltmanns, der als Seemannsdiakon den Duckdalben leitet und sich selbst als „sehr seßhaft“ charakterisiert, weiß von keinem, der mit seinem Job richtig zufrieden ist. Ein deutscher Seemann jenseits der vierzig erzählt, daß er seine Arbeit zwar ganz in Ordnung findet. Die jungen Leute, die neu an Bord kommen, würde er jedoch am liebsten wieder die Gangway hinunterprügeln. Durch Ausflaggung und Zweitregister sind gut bezahlte Jobs kaum noch zu haben.

Knapp 200.000 Seeleute waren in den vergangenen zehn Jahren zu Gast im Duckdalben. Besonders viele Gäste kommen aus China, von den Philippinen oder aus Ägypten. Sie verdienen rund 150 Mark im Monat. Die Seemannsmission bietet ihnen einiges gratis und vieles sehr günstig an – und kann sich das leisten: Anders als ähnliche Einrichtungen in Großbritannien, die dem Duckdalben Vorbild waren, muß sie keine Gewinne erwirtschaften; finanziert wird die Arbeit von der Nordelbischen Kirche, mit Spenden und vor allem durch die Hamburger Wirtschaftsbehörde. Viele ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben als Ehrenamtliche bei der Sache.

An wirklich jedem Tag des Jahres können Seeleute im Duckdalben weltweit telefonieren, Geld wechseln, Kaffee, Tee und Bier trinken, Billard spielen oder Basketball, fernsehen, reden, schweigen. Wer genügend Zeit hat für einen Trip nach St. Pauli, findet im Flur neben Fahrplänen auch Verhaltenstips für die Reeperbahn. Je offensiver die Türsteher einladen, steht da, desto vorsichtiger müsse man sein. Im Duckdalben fragen die Mitarbeiter jeden Gast: „Can I help you?“ Auch ein „No!“ wird einfach akzeptiert.