■ Fußballkultur
: Fanzines sinnieren über den neuen Fußball

Oer-Erkenschwick (taz) – Hat der Fußball, wie wir ihn zu kennen glaubten, noch eine Zukunft? Müssen Fans resignieren, denen es zuwider ist, daß Spiele wie „ran“- Shows inszeniert werden?

Pathetisch gefragt: Lohnt es sich noch, gegen Hoeneß und Kirch zu mobilisieren, oder ist der Kampf schon längst verloren?

Das sonntägliche „1. bundesweite Fußball-Fanzine-Festival“ in Oer- Erkenschwick hatte sich den Kampf „gegen Kommerzialisierung“ aufs Transparent geschrieben, und so war es kein Wunder, daß sich gleich zwei Diskussionsrunden mit diesen Fragen beschäftigten. Den meisten Teilnehmern war klar, daß Argumentationen gegen Kommerzialisierung mittlerweile auch in den falschen Hals geraten können. Schließlich hatten während der Olympischen Spiele einige Feinde des Kommerzes einen vermeintlich reinen Sport auf eine Weise glorifiziert, daß einem übel werden konnte. So gab ein Redakteur des Bochumer „Vfoul“ der Hoffnung Ausdruck, daß kritische Fußballfans sich nicht derartig verrennen: „Den wahren Fußball hat es nie gegeben, das ist nichts weiter als ein Mythos.“

Zwei Diskussionsteilnehmer berichteten von Besuchen in England und den USA und malten Horrorszenarien für die Bundesliga aus: In Highbury, dem Stadion von Arsenal London, gehen die meisten Zuschauer erst kurz vor dem Anpfiff auf ihre Plätze. Das Aufwärmen schauen sie sich auf Videobildschirmen in den Gängen des Stadions an – die maßgeblichen Szenen des Spiels kann man sogar von jedem Platz des Stadions noch einmal als Aufzeichnung sehen, falls man gerade weggeschaut hat.

Neue Perspektiven gesucht: St.Pauli-Fanzine „Der Übersteiger“ Abbildung: taz-Archiv

Die ärgsten Skeptiker unter den Fanzine-Machern mutmaßten, daß Stimmung vom Band auch in deutschen Stadien bald dominieren werde. Falls aus marktwirtschaftlichen Gründen noch Live-Gesänge gefragt sein sollten, unkten sie, würden die Vereine wohl „Stimmungsblöcke“ einrichten. Vielleicht mit der Aufschrift: „Echte Fans. Bitte mit alkoholhaltigem Bier füttern.“

Über neue Kampfesperspektiven sinnieren derzeit Fans des FC St. Pauli. Vielleicht formieren einige zur kommenden Bürgerschaftswahl eine Partei, die nur einen Programmpunkt hat: Hamburg soll das Millerntorstadion als kulturelle Einrichtung anerkennen und genauso fördern wie Oper und Theater. Dann wäre der Verein beim Stadionausbau nicht mehr von Sponsoren abhängig, die inhaltlich andere Vorstellungen haben als die meisten Fans. René Martens