Gotteskrieger für ein neues Südafrika

Radikale muslimische Bürgerwehr in Kapstadt erklärt mafiosen Drogendealern in ihren Wohnvierteln den Heiligen Krieg und stellt Südafrikas Regierung ein Ultimatum  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Die Bilder glichen Bürgerkriegsszenen aus weiter nördlich gelegenen Gegenden Afrikas. Mit Tüchern vermummte Männer suchen Deckung, die Luft ist voller Rauchschwaden, Schüsse hallen durch die Straßen. Neun Menschen wurden am Sonntag abend in Auseinandersetzungen zwischen der südafrikanischen Polizei und muslimischen Fundamentalisten in Kapstadt schwer verletzt.

Rund 10.000 Anhänger der überwiegend muslimischen Organisation „Pagad“ (Menschen gegen Gangs und Drogen) hatten sich in einem Stadion im Kapstädter Vorort Athlone versammelt. „Tötet die Dealer“, stand auf Plakaten. „Jedem Dealer eine Kugel“, dröhnte es in Erinnerung an die einstige Guerillaparole „Jedem Siedler eine Kugel“ durch das Stadion. Die Gangsterbosse hätten den Gemeinden den Krieg erklärt, sagte ein vermummter Redner, deshalb sei Pagad berechtigt, sich zu verteidigen. Nach Auflösung der Kundgebung bricht eine Gruppe von mehreren hundert, meist bewaffneten Jugendlichen durch die Polizeiabsperrungen, die Polizei setzt Tränengas ein. Noch am Samstag hatte Südafrikas Polizeichef George Fivaz bei einem Treffen mit Pagad die Kundgebung unter der Bedingung genehmigt, daß die Teilnehmer keine Waffen tragen.

Vor zwei Wochen noch war Pagad, eine selbsternannte Bürgerwehr, in Südafrika so gut wie unbekannt. Gestern drohte ihr Vorsitzender mit einem Heiligen Krieg, sollten Regierung und Polizei das Land nicht binnen 14 Tagen frei von Drogenbossen und Drogen gemacht haben. Der Zusammenschluß aus verschiedenen Community-Gruppen und vor allem islamischen Organisationen in Kapstadt fordert schon seit Monaten, daß die Polizei etwas tun soll gegen die Drogenbanden, die die sogenannten „Cape Flats“, Arbeitersiedlungen für „Farbige“ in Kapstadt, unsicher machen. Mit Mafia- Methoden kontrollieren sie das gesamte gesellschaftliche Leben und bekämpfen sich gegenseitig. Die Polizei steht dem hilflos gegenüber – oder macht mit den Gangs gemeinsame Sache.

Am vorletzten Wochenende handelte Pagad: Rashaad Staggie, ein stadtbekannter Drogendealer, der zusammen mit seinem Zwillingsbruder Rashied die „Hard-Livings-“Gang anführte, wurde vor seinem Haus angeschossen, vor den Augen der Polizei angezündet und öffentlich verbrannt. Ein jetzt untergetauchter Sprecher der Gruppe, Muhammed Ali Parker, ließ keinen Zweifel daran, daß das eine gezielte Lynchaktion war: „In meinen Augen war das Blutvergießen sehr nützlich. Der Krieg wird jetzt ausgeweitet.“ Doch der Krieg richtet sich nicht nur gegen Drogenkriminalität. „Das wird jetzt zum Dschihad (Heiliger Krieg)“, so Parker. „Jeder Krieger Gottes ist 5.000 Gangstern ebenbürtig. Wir sind ordentliche, gottesfürchtige Menschen, und wir haben keine Angst zu sterben.“

Mittlerweile genießt Pagad auch die Unterstützung von namhaften religiösen Oberhäuptern der muslimischen Gemeinde in Kapstadt. So sicherte Scheich Nazeem Mohamed, Vorsitzender des einflußreichen „Muslimischen Gesetzesrates“, am Sonntag die Unterstützung von 75 Organisationen zu, denn: „Drogen und Gangstertum sind die Mutter allen Übels.“

1,5 Millionen sogenannte „Farbige“ – Nachfahren ehemaliger Sklaven aus Südostasien – leben heute im Großraum Kapstadt; die meisten von ihnen sind Muslime. Sie waren bisher unauffällig. Das ist nun offenbar vorbei.