Lust auf drogenfreies Leben wecken

Umbau im AK Ochsenzoll: Zwei neue Stationen für Drogenkranke  ■ Von Vera Stadie

Die ersten beiden Stationen des „Klinischen Zentrums für Drogenabhängigkeit“, das im AK Ochsenzoll entsteht, sind gestern eingeweiht worden. Das Haus 35, ein über 80 Jahre altes Klinikgebäude mit ehemals großen Bettensälen, wurde dafür in 16 Monaten vollständig umgebaut. Jetzt gibt es dort Ein- und Zweibettzimmer für insgesamt 30 körperlich und psychisch kranke Drogenabhängige. Für die Renovierung, die im Frühjahr 1997 beendet sein soll, sind 7,5 Millionen Mark veranschlagt.

Die Entscheidung, Haus 35 in diesem Umfang umzubauen, sei als ein positives Signal an die drogenabhängigen Patienten und Patientinnen zu verstehen, sagte gestern Karsten Becker vom Vorstand des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), „die räumliche Ausstattung unterscheidet sich nicht von der für die übrigen Patienten im AKO“.

In der einen Station von Haus 35 sollen körperlich und psychisch verelendete und schwer drogenabhängige Patienten, in der anderen drogenabhängige Jugendliche aufgenommen werden. Die Zahlen steigen. „Patienten aus der Drogenmetropole Hamburg sind immer häufiger sehr jung, 12 bis 18 Jahre alt, körperlich schwer krank, psychisch schwer krank, sozial sehr verelendet“, berichtete Dr. Klaus Behrendt, der Leiter der 9. Psychiatrischen Abteilung des AKO gestern bei der Einweihung.

Behrendt und andere MitarbeiterInnen des AKO haben 1989 begonnen, ein Konzept für den niedrigschwelligen – leicht zugänglichen – Drogenentzug zu entwickeln. Ihr Grundprinzip ist dabei, die Drogenabhängigen, die häufig abgelehnt werden, weil sie nach landläufiger Auffassung selbst an ihrer Abhängigkeit schuld seien, mit ihren Schwächen und Fehlern zu akzeptieren. Wichtigstes Ziel des niedrigschwelligen Entzugs ist es, das Überleben zu sichern. Die Behandlung sei ganzheitlich, betont Behrendt. Jedem/r wird einem/r der ÄrztInnen, PsychologInnen, SozialpädagogInnen und KrankenpflegerInnen zugeteilt. Diese festen Bezugspersonen betreuen die Drogenabhängigen von der Aufnahme bis zur Entlassung, begleiten sie zu Ämtern und Anwälten und helfen auch beim Verfassen von Lebenslauf und Bewerbung.

Wenn die Patienten körperlich wiederhergestellt sind, erfahren sie bei ihrem ein- bis dreiwöchigen Aufenthalt im Haus 35, wie es ist, drogenfrei zu leben. Der niedrigschwellige Entzugs soll dazu anzuregen, auch weiterhin „clean“ zu bleiben. Alle BewohnerInnen von Haus 35 treiben Sport, gehen spazieren, musizieren oder malen. Diese regelmäßigen Aktivitäten sind Pflichtprogramm. Darüber murren die PatientInnen in Haus 35 hin und wieder. Aber, so schildet Stephan Z. die Erfahrung vieler, wenn man auf dem Gelände des AKO zum ersten Mal wieder bewußt ein Eichhörnchen sehe, spüre man nach jahrelangem „Entzug“ zum ersten Mal wieder sich selbst und die Umgebung. Oder, wie Stephan Z. es beschreibt: „Die Gefühle kommen wieder.“