Der Wunsch vom Aufstieg bleibt ein Traum

■ Ein Startkapital zur Existenzgründung erhalten vom Sozialamt nur sehr wenige

Sozialhilfeempfänger, die eine eigene Existenz gründen wollen, können vom Sozialamt eine Starthilfe erhalten. Zum „Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage“ kann das Sozialamt ein Darlehen oder eine einmalige Beihilfe gewähren. Von der Möglichkeit macht allerdings nur eine Minderheit Gebrauch. An etwa fünfzig Anträge kann sich Peter Block, leitender Fachbeamter im Sozialamt Wedding, im letzten Jahr erinnern. Bewilligt wurden davon gerade mal fünf. Denn nur in wenigen Fällen hält der Antrag einer Prüfung stand.

So ging der arbeitslose Angestellte eines Fahrradgeschäftes, der 30.000 Mark Startkapital für die Eröffnung eines eigenes Geschäfts haben wollte, leer aus. Die Konkurrenz in der Branche sei zu groß, das Risiko eines Scheiterns zu hoch, schätzte das Sozialamt die Lage ein. Er könne seinen Lebensunterhalt auch weiterhin als Arbeitnehmer verdienen.

Grundsätzlich gilt: Nur erfolgversprechende Konzepte werden unterstützt. Bei vielen ist die Selbständigkeit vor allem ein Wunschtraum, die Illusion des schnellen Aufstiegs aus der Misere. „Die Antragsteller legen zum Teil irrationale, wenig spezifische Konzepte vor“, stellt Hartmut Mießner, Sozialamtsleiter in Wilmersdorf, fest. „Die sagen, wir brauchen erst mal 5.000 Mark für den Steuerberater, damit uns dieser ein Konzept erstellt.“

Projekte, die Hand und Fuß haben, werden zur Prüfung an die Industrie- und Handelskammer (IHK) geschickt. Denn die SachbearbeiterInnen des Sozialamtes sind mit der Begutachtung von Unternehmenskonzepten überfordert. Wenn die IHK das Vorhaben nach eingehender Prüfung als solide und aussichtsreich einschätzt, kann schon mal eine Anschubfinanzierung von 20.000 bis 30.000 Mark bewilligt werden.

An eine erfolgreiche Starthilfe kann sich der Fachbeamte Block allerdings nur in einem Fall erinnern. Vor etwa fünf Jahren bat ein seit langem in Deutschland lebender türkischer Immigrant um Unterstützung beim Aufbau eines Reisebüros. „Er konnte glaubhaft machen, daß er eine realistische Chance hat.“ Das Sozialamt stand vor der Wahl, ihm ein Darlehen für die Büroeinrichtung zu geben oder eine Familie mit vier Kindern auf Dauer an den Tropf des Sozialamtes zu hängen. Man entschied sich für das Darlehen und fuhr gut damit. Nach einem halben Jahr stand die Familie wieder auf eigenen Füßen. Langfristig konnte das Sozialamt dadurch sogar Ausgaben vermeiden.

„Viele Sachbearbeiter weisen auf die Möglichkeit eines zinslosen Darlehens erst gar nicht hin“, bemängelt allerdings Manfred Kossow* von „Ausweg e.V.“, einem Selbsthilfeverein gescheiterter Unternehmer. Ein weiterer Haken: Das Sozialamt darf nur die „notwendigen Ausgaben“ finanzieren. Der Neuanfang muß also auf Sparflamme bewältigt werden, was das Risiko eines erneuten Scheiterns in sich birgt.

Dennoch ist ein zweiter Versuch für viele die einzige Chance, wieder Arbeit zu finden. „In dem Moment, wo ein Arbeitgeber erfährt, daß ein Teil meines Lohns gepfändet wird, ist die Sache gelaufen“, sagt Kossow. Der 48jährige, der sich im Herbst wieder selbständig machen will, bemüht sich schon seit einem halben Jahr erfolglos um eine Unterstützung des Sozialamtes.

„Die Betroffenen sind oft nicht mit der Einschätzung des Sozialamtes einverstanden“, seufzt Peter Block. Auch vom Konkurs bedrohten Kleinunternehmern, für die ein Überbrückungskredit des Sozialamtes der letzte Strohhalm ist, kann nur selten geholfen werden. Im Notfall prüft der Amtsleiter eigenhändig die Überlebenschancen des Betriebs, wühlt sich durch Bilanzen und berechnet Außenstände. Wenn der eigene Sachverstand nicht reicht, zieht er die Betriebswirtschaftler der Abteilung Finanzen zu Rate. Ein langwieriger und arbeitsintensiver Prozeß, doch sind auch dies Ausnahmefälle. Dorothee Winden

* Name von Redaktion geändert