Eleganz und milder Sarkasmus

■ Er schickte seine Models zum Studium in den Louvre. Der in Weißenfels/Saale geborene Fotograf Horst P. Horst wird 90

Zuletzt, aber da war er auch schon fast 80, hat er vielleicht doch die Lust verloren, die ewig gleichen Wünsche seiner Kunden zu erfüllen. Die High-Society, die bei Horst P. Horst in den achtziger Jahren Schlange stand, wirkt banal auf seinen Fotos, wie eingeübte Routine.

Prinzessin Stéphanie, damals gerade als Schlagersternchen erfolgreich, sieht bei ihm aus wie ein Frisurenmodell für Stu-Stu-Studioline, Brooke Shields verströmt die Aura einer begeisterten Manta-Fahrerin, und über sein Foto der Popgruppe Duran Duran sagte er selbst: „Eins der langweiligsten Bilder, die ich je gemacht habe.“ Aber vielleicht liegt es ja auch nur daran, daß die vorletzte Mode immer die schlimmste ist.

Berühmt wurde Horst P. Horst durch seine Modefotos der dreißiger und vierziger Jahre – Inszenierungen überaus reiner, nur sich selbst genügender Eleganz. Ohne ins Auge springende Brechungen, aber auch ohne eitlen künstlerischen Gestus. Gerade ihre scheinbare Beiläufigkeit macht diese Studioaufnahmen zu Klassikern der Modefotografie.

1930 kommt der Kaufmannssohn und Kunstgewerbeschüler Horst Bohrmann aus Weißenfels an der Saale nach Paris, um im Architekturbüro von Le Corbusier zu hospitieren. Das mondäne Großstadtleben begeistert den jungen Mann allerdings weit mehr als die Arbeit beim Stararchitekten. Als er dem Vogue-Fotografen Baron Hoyningen-Huene begegnet, wird er zunächst dessen Modell, dann sein Assistent. Binnen weniger Jahre ist Horst P. Horst, wie er sich nun nennt, selbst ein gefragter Fotograf.

Das Leben mit dem Baron, die Affäre mit Luchino Visconti, seine Übersiedlung in die USA unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – all dies ist inzwischen Legende geworden. Wie auch Horsts Detailbesessenheit: Was für Coco Chanel die Knie sind – „der häßlichste Körperteil einer Frau“ –, das sind für ihn die Hände. Um Abhilfe zu schaffen, schickt er seine Modelle gern in den Louvre und läßt sie dort klassische Posen studieren. Der in den dreißiger und vierziger Jahren geradezu unverzichtbare Einsatz von „dramatischem“ Licht, von Trompe-l'oeil- Effekten und mehr oder weniger aufwendigen Kulissen aus Pappmaché macht es heute schwierig, eine unverwechselbare „Handschrift“ der damaligen Starfotografen von Vogue, Harper's Bazaar oder Vanity Fair auszumachen.

Und doch gibt es feine Unterschiede: Die Fotos des Engländers Cecil Beaton etwa sind trashiger, barocker und technisch oft nachlässiger, die des Amerikaners George Platt Lynes meist karger im Dekor und zugleich verinnerlichter.

Horst P. Horst hingegen ist vor allem Perfektionist. Keine Kleiderfalte, kein Schatten, keine Geste bleibt bei ihm dem Zufall überlassen. Nicht einmal die kleinen Nachlässigkeiten, die einer makellosen Fotografie erst einen Hauch Wahrscheinlichkeit verleihen, bleiben seinem kritischen Auge verborgen. Von der Person Horst geben seine Fotos jedoch fast nichts preis, Psychologie kommt nur in seinen Künstlerporträts zum Tragen.

So sehr allerdings Horst, Beaton und Lynes den weiblichen Körper in ihrer Arbeit feiern, sind sie privat doch davon entfernt, ihn auch zu begehren. Während Lynes neben der von ihm wenig geliebten Modefotografie zeitlebens mit Akten und der Herausbildung einer homoerotischen Bildästhetik experimentierte, sind von Horst P. Horst bislang nur wenige, überaus zurückhaltende männliche Akte veröffentlicht worden. Horsts Diskretion geht so weit, daß seine Aktfotos weder das Gesicht des Modells zeigen noch einen Blick auf erogene Zonen gestatten – für Sammler von Hochglanzerotika eine echte Prüfung.

Auch das Steckenpferd seines Freundes Cecil Beaton, die Maskerade, bleibt Horst fremd. Für ihn ist die fotografische Inszenierung kein ironisches Spiel mit der Identität, sondern eine Frage der bestmöglichen Präsentation. Insofern ist es nur naheliegend, daß Horst in den sechziger Jahren, als die Technik ein schnelleres Arbeiten ermöglicht und kein Bedarf an klassisch-eleganten Modefotos mehr besteht, umsattelt und zu einer Art Margret Sünser des amerikanischen High-Society-Lifestyles wird. Zwanzig Jahre lang fotografiert er kompetent wie eh und elegant wie je die Häuser und Gärten der Reichen.

Als die siebziger Jahre zu Ende gehen und Stil plötzlich wieder gefragt ist, setzt eine regelrechte Horst-Renaissance ein. Pariser Couturiers buchen den 75jährigen, Calvin Klein gibt eine Sockenkampagne in Auftrag. Andy Warhol, so heißt es, wird richtig aufdringlich, bis er endlich „sein“ Horst-Porträt in Händen hält – das Bildnis eines Skeptikers in prätentiösem Ameublement. Es entsteht so etwas wie ein mild-sarkastischer Spätstil. Tom Wolfe etwa ist durch nichts davon abzubringen, in einem weißen Anzug mit weißer Weste und weißem Hemd zu posieren – was kann man tun? Bei Horst ist eines seiner satirischsten Fotos herausgekommen: der Dichter als strahlend weißer Fatzke.

Neben solchen Jet-set-Späßen gelingen Horst aber auch in seinem neunten Lebensjahrzehnt noch exzellente Künstlerporträts. Besonders sympathisch ist, wie er, dem die nachfolgende Fotografengeneration so viel Anregung verdankt, sich nicht zu schade ist, Mapplethorpes Stillebentechnik auszuprobieren. Der Unterschied zu seinen neu-sachlichen Pflanzenfotos der 40er Jahre ist in Horsts letzter Buchveröffentlichung zu sehen: „Form Horst“ erschien 1992 im Twin Palms Publishers Verlag. Reinhard Krause

Eine Retrospektive mit Werken von Horst P. Horst ist zur Zeit in der Hamiltons Gallery in London zu sehen