■ Querspalte
: Pfälzer Couch-potato

Armer Kurt Beck! Während seine Politikerkollegen ihren Urlaub an südfranzösischen Stränden (Scharping) und Theken im Elsaß (Lafontaine) verbringen, bleibt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident diesen Sommer bescheiden zu Hause. Läßt die Rolläden runter, legt Chips und Hörzu griffbereit neben sich und begibt sich vor der Glotze in kognitive Einsamkeit. Doch kaum hat er der Fernbedienung den ersten Hieb verpaßt, gähnt den arglosen Sozialdemokraten auch schon das Sommerloch an. Und zwar in voller Ausdehnung: alte Serien, alte Filme, alte Gameshows.

Also eigentlich alles wie immer, doch für Beck irgendwie neu. Als hätte er den Fernseher in seinem Wohnzimmer eben erst entdeckt, bricht es vehement aus ihm heraus: „Keine Klamotte kann abgedroschen genug sein, um nicht zum x-tenmal wiederholt zu werden“, poltert er und läßt seine Pressestelle flugs blaue Briefe an die verantwortlichen Sender (alle!) schreiben. Postskriptum merkt er noch bitter an, daß die Spielfilme im Durchschnitt 23 Jahre alt seien. Das mag mathematisch korrekt sein. Doch daß sich Beck erst jetzt aufrafft, das hiesige TV-Programm genauer anzuschauen, stimmt nachdenklich. Schließlich bastelt der Mainzer Ministerpräsident schon seit längerer Zeit mit seinen Kollegen am neuen Rundfunkstaatsvertrag, der für Kirchs Archiv noch mehr Raum schafft. Doch nun will die spät gekeimte Couchpotato ihr Hobby anscheinend ernst nehmen: Ausgerechnet in Helmut Kohls Leib-und-Magen-Blatt, der Ludwigshafener Rheinpfalz, soll Beck Fernsehkritiken veröffentlichen.

Und schon sehen wir ihn nach jedem mißlungenen „Tagesthemen“-Kommentar an den Schreibtisch eilen, wo seine Wurstfinger geharnischte Haßtiraden in die IBM-Exekutive hacken. Tatsächlich sind Beck einige Sendungen geradezu auf den feisten Kritikerleib geschrieben. So könnte er zum Beispiel am 10. September Helmut Kohls Gastauftritt bei Bio rezensieren. Und das wäre dann wirklich mal tiefer als das Sommerloch.

Oliver Gehrs