Mit Opas Rezepten ins Weiße Haus

■ Auf ihrem Parteitag verabschieden die US-Republikaner ein frauen- und einwandererfeindliches Wahlprogramm: Abtreibung soll verfassungswidrig sein, in den USA Geborene sollen nicht mehr automatisch Staatsbürger werden

Berlin (taz) – Ronald Reagan ist „Großvater der Nation“, Abtreibung gehört grundsätzlich verboten, und eine Arbeitspflicht soll eingeführt werden: Mit diesen Überzeugungen ziehen die US-amerikanischen Republikaner in den Kampf ums Weiße Haus. „Das ungeborene Kind hat ein fundamentales Recht auf Leben, das nicht angetastet werden darf“, heißt es im Wahlprogramm, das die Republikaner am Montag auf ihrem Parteitag im kalifornischen San Diego verabschiedeten. „Wir unterstützen einen entsprechenden Zusatz zur Verfassung und befürworten ein Gesetz, das die Schutzgarantie (für Personen) auch auf ungeborene Kinder ausdehnt.“

Weitere Forderungen des Wahlprogramms lauten: „Alle arbeitsfähigen Erwachsenen sollen zur Arbeit verpflichtet werden ... illegale Einwanderer sollen außer Notfallhilfen keine öffentlichen Zuwendungen erhalten“, und „legale Einwanderer sollen von jenen unterstützt werden, die sie ins Land geholt haben, und nicht vom amerikanischen Steuerzahler“. In den USA geborene Kinder von Einwanderern sollen nicht mehr automatisch US-Staatsbürger werden. Die Verpflichtung zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt soll Verfassungsrang erhalten. In insgesamt sieben Punkten wollen die Republikaner die Verfassung umschreiben.

Wessen Geist diese Ideen entspringen, hatten die unter dem Parteiemblem des Elefanten versammelten Delegierten in San Diego zuvor klargemacht, als sie Ronald Reagan als „letzten wahrhaften Löwen des 20. Jahrhunderts“, als „Großvater der Nation“ und „geheiligten Präsidenten“ feierten. Der 85jährige Reagan, der wegen seiner Alzheimer-Erkrankung nicht selbst anwesend war und von seiner Frau Nancy sowie einem Videofilm vertreten wurde, begeistert die Republikaner offenbar mehr als der 73jährige Bob Dole, den sie heute offiziell zum Präsidentschaftskandidaten küren sollen. Dole trat noch nicht selbst auf, sondern wird traditionsgemäß erst zu seiner formalen Kandidaturaufstellung auf dem Parteitag erscheinen. Von einigen der extremsten Forderungen des Wahlprogramms hat Dole sich bereits distanziert, bindend ist es für ihn sowieso nicht, und auch sein neuer Vize Jack Kemp gilt als Gegner der republikanischen Rechten. Vor allem das angestrebte totale Abtreibungsverbot gilt in den USA ohnehin als nicht mehrheitsfähig. Als Fußnote zum Wahlprogramm wird denn auch bereits vermerkt, daß die Partei sich in der Abtreibungsfrage nicht einig ist. Offenkundig wurde dies in San Diego auch, als die Republikaner die für das Recht auf Abtreibung eintretende Gouverneurin von New Jersey, Christine Todd, zur Parteitagsvorsitzenden wählten.

Der Politologe Allan Lichtman kommentierte, die Regisseure des Parteitages verfolgten offenbar eine klare Strategie: Dem rechtsgerichteten Programm für die Delegierten stünde eine von Gemäßigten dominierte Rednerliste für die Öffentlichkeit entgegen. Das schert die Delegierten vorerst wenig. So erntete der schwarze Ex- Generalstabschef und Ex-Hoffnungsträger Colin Powell Buhrufe, als er sich in seiner Parteitagsrede für das Recht auf Abtreibung und die Beibehaltung von Antidiskriminierungsprogrammen aussprach. Wenig Widerhall fand auch seine Vision eines weltoffenen Amerika und einer republikanischen Partei als „Hüterin des amerikanischen Traums“. „Der hispanische Immigrant, der gestern die Staatsbürgerschaft erhielt, muß uns genausoviel wert sein wie der Mayflower-Abkömmling“, redete Powell seiner Partei ins Gewissen und verlangte einen Wahlkampf „ohne Bitterkeit“. D.J. Seite 10