Im Labyrinth der Identitäten

■ Von den Werkstätten junger Choreographen zu den Festival-Stars: Die erste Woche des 13. Internationalen Sommertheater Festivals auf Kampnagel

Damit wir im Einheitswetter merken, welche Jahreszeit ist, gibt es in Hamburg glücklicherweise neben Ereignissen mit Namen wie Winterschlußverkauf und Frühjahrsdom das Sommertheater Festival. Die letzten Jahre hat es uns viele heiße Abende auf Kampnagel beschert, und darauf können wir uns nun auch in den nächsten zwei Wochen freuen. Die Spannweite der vertretenen Länder ist wieder groß, obwohl das Festival diesmal kürzer ist: von Schweden bis Burkina Faso, von Österreich bis Südkorea. Tanz ist der inhaltliche Schwerpunkt, Israel und Katalonien sind die geographischen. Theater gibt es wenig. Zu internationalen Stars und alten Bekannten gesellt sich dieses Jahr eine Werkstattreihe junger Choreographen.

Tanz und Theater aus Israel eröffnen das Festival. Ohad Naharins international gefeierte Batsheva Dance Company zeigt morgen die Europapremiere von „Yag“. Bat-shevas rasantes Tanztheater voller überraschender Kontraste zwischen expressiver Ensembleleistung und poetischen, leisen Bilder wurde schon 1993 vom Sommertheaterpublikum bejubelt. Die Tänzer, nicht als Darsteller, sondern als Personen, stehen bei Naharin im Mittelpunkt der Arbeit, die sich dieses Mal um Erinnerung und Familie dreht. Die zweite Premiere ist am Samstag die israelische Produktion „Va'Yomer – Er aber sprach“. In ihrer Inszenierung der Heiligen Schrift lassen Cameri Theatre & Itim Theatre Ensemble mit purem Schauspielertheater einen Bibelkommentar von überraschend unpathetischer Härte entstehen. Ergänzend zu Tanz und Theater zeigt das Alabama Filme aus Israel.

Neodanza aus Venezuela stellen am Sonntag „18 Minutos por 2 1/2 Tiempos 'bolo“ vor. Wer im Frühjahr die Kurzversion des Stückes in Hamburg sehen konnte, kennt ihre provokative und aggressive Bewegungssprache. Als „Artists in Residence“ haben sie nun in den letzten Wochen auf Kampnagel eine abendfüllende Produktion erarbeitet, die in einem Szenario zwischen anonymer Gewaltausübung und Selbsttortur die soziale und politische Realität Lateinamerikas spiegelt.

Wie Neodanza ist auch die in Hamburg lebende Choreographin Angela Guerreiro, eine der Entdeckungen, die das Festival in der Tanz-Werkstatt-Reihe präsentiert. Die Portugiesin entwirft in ihrem Solo „Bastard Memories“ eine Odyssee durch das Labyrinth moderner Indentitäten zu Musik des Hamburgers Hendrik Lorenzen. Dabei geht ihr Tanz der Frage nach, ob wir von fremden Erinnerungen besessen sind. Den zweiten Teil des Abends bildet eine „lecture demonstration“, in der sie ihre Arbeitsweise vorstellt. Die Tanz-Werkstatt wird mit „Versus“ von Quasar Companhia de Danca aus Brasilien fortgesetzt. Die Companhia versucht mit Ironie und Humor das Lebensgefühl der jungen Generation Brasiliens einzufangen.

„La Tristeza Complice“ des belgischen Ballets C. de la B. beschließt die erste Woche. Zehn Tänzer, zwei Kinder, eine Opernsängerin und zehn Akkordeonspieler machen „chaotisches Anti-Theater“, bevor am zweiten Wochenende der Schwerpunkt „Tanz aus Katalonien“ mit drei Produktionen beginnt. Zwei internationale Dreierabende der Tanzwerkstatt und Theater aus Argentinien beenden am letzten Augustwochenende dann das diesjährige Festival, bevor es endlich Herbst wird. Darüber aber mehr im nächsten Querschnitt.

Matthias von Hartz