Teuere Kleinst-Immobilien

Schützenswerte Sepulkralskulpturen: „Engel zu verschenken“ in Ohlsdorf – aber die Grabfläche kostet weiterhin das Übliche  ■ Von Katrin Seibold

Die steinerne „Türsteherin“ wacht schon über dem Grab, auf dem der Name Lobkowicz steht. Der gleichnamige ungarische Adlige hat sich vor zwei Jahren in die Dame „verliebt“, erzählt der Steinmetz und Bildhauer Henning Hammond-Norden. Er habe daraufhin die rund hundertjährige restauriert und ihr den Patina-Schleier abgenommen. Seitdem wartet sie, inzwischen wieder grün umrankt, ihrem Gönner und Paten Lobkowicz das letzte Geleit geben zu dürfen.

Denn um alte und wertvolle Grabmale erhalten zu können, hat die Friedhofsverwaltung Ohlsdorf die Aktion „Engel zu verschenken“ gestartet. „Ungefähr 5000 der insgesamt rund 160.000 Grabmale sind denkmalschutzwürdig“, sagte Wolfgang Pages, Geschäftsführer der Hamburger Friedhöfe, gestern gegenüber der Presse. Sie drohten durch Umweltverschmutzung und sauren Regen zu verfallen. Um dem vorzubeugen, könne sich nun jedeR einen historischen Grabstein aussuchen, um ihn zu restaurieren und zu pflegen. Die Grabfläche kostet allerdings das Übliche.

So will der größte Parkfriedhof der Welt seinen Kostbarkeiten, also Findlingen, Obelisken und Engeln das Leben verlängern – die scheinbar unvergänglichen Denkmäler sind ansonsten von vorneherein zur Vergänglichkeit verurteilt: Wenn die Mindestruhezeit von 25 Jahren abgelaufen ist und der Besitz eines Grabes nicht verlängert wird, ist die Friedhofsverwaltung wieder dafür zuständig. Die Grabmale würden dann zertrümmert oder recycled, erklärt Sabine Blum vom Ohlsdorfer Friedhof.

Um wenigstens den kostbarsten unter den Sepulkralskulpturen ein ewiges Leben zu schenken, gibt sie die Friedhofsverwaltung zur „Adoption“ frei. Mit einer solchen Entscheidung sei aber auch die Verpflichtung verbunden, das Grabmal zu restaurieren und zu pflegen. „Wer eine Figur will“, erklärt die Volksschauspielerin Heidi Kabel, „soll sich melden. Er bekommt sie dann aufs Grab, wenn er stirbt.“ Zudem müsse der Pate das dazugehörige Grundstück kaufen, fügt Pages hinzu. „Wer uns nachsagt, wir seien der teuerste Kleinst-Immobilienhändler Hamburgs, liegt damit gar nicht so falsch.“

Um die Prominentengräber sorgt sich die Kulturbehörde. „Sie entscheidet, welche Gräber im öffentlichen Interesse auf Kosten der Stadt erhalten und gepflegt werden“, sagt Blum. Dazu gehört beispielsweise das des Tierparkgründers Carl Hagenbeck oder des Bürgermeisters Herbert Weichmann.

Von den 3000 kunsthistorisch wertvollen Grabsteinen sind bereits über 20 vergeben. Bildhauer Hammond-Norden zeigt einige Grabmäler, die er für berühmte Persönlichkeiten restauriert hat. Da hat sich die Otto-Versand-Dynastie zum Beispiel schon zu Lebzeiten auf Stein verewigt. Und daneben liegt das Lobkowicz-Grabmal. „Das ist die Fürstenfamilie, über deren Palais-Zaun in Ungarn bei der Wende die ersten 5000 Flüchtlinge geklettert sind“, erzählt Hammond-Norden. Eine gute Woche habe es gedauert, das Grabmal herzurichten. Dann habe es noch einen neuen Standort bekommen. Ob Fürst Lobkowicz hier wohl die ewige Ruhe findet? Für Hammond-Norden ist das noch fraglich: „Daß der Herr mit dem schlichten Namen Schultz auf ihn herunterschauen kann, „darüber beklagt sich der Fürst bei mir heute schon“.

Infos beim Ohlsdorfer Friedhof unter 59105493