Wer kauft schon Geigen bei Horten

■ Margret Löbner - die Frau, die in Bremen seit 10 Jahren Blockflöten für die ganze Welt baut

„Hier können alle meine Instrumente mit denen der Konkurrenz verglichen werden“. Wer ist so mutig, einen Laden zu eröffnen, der neben die eigenen zusätzlich fremde Produkte legt? Die 32jährige Flötenbauerin Margret Löbner aus Bremen empfand es nach ihrer Ausbildung als zu riskant, sich allein auf den eigens handgemachten Flötenbau zu stürzen. Zum anderen findet sie, daß Instrumente „beim Instrumentenbauer gekauft werden sollen. Man kauft ja auch keine Geige bei Karstadt“. Die Sicherheit und das Selbstbewußtsein, das sie aus dieser Idee entwickelte, gingen auf: im September 1996 feiert sie mit ihren fünf MitarbeiterInnen das zehnjährige Jubiläum.

„Das spricht sich allmählich herum, daß hier beim Meister gekauft wird. Ich bin in Deutschland die einzige Händlerin und Bauerin in Doppelfunktion“. Manchmal versteht sie überhaupt nicht, daß nicht viel mehr Menschen dieses Angebot nutzen. In der alten Villa am Osterdeich stehen und liegen über 700 Instrumente und warten auf MusikantInnen, die von Margret Löbner im wahrstemnSinne des Wortes meisterhaft beraten werden: das „Garklein“ gibt es hier, das kaum zehn Zentimeter große Tanzflötlein aus dem Mittelalter und den über zwei Meter großen Subbaß, von der AnfängerInnenflöte für die Schule bis zum Meisterinstrument für VirtuosInnen.

Der Laden ist in der Lust dieser Verantwortung längst mehr geworden als eine Verdienstquelle. Doch so sehr Margret Löbner ihre Begeisterung über alles mitteilen kann, was es in diesem einfachen, aber geschmackvoll eingerichteten Laden gibt, so wenig kann dieses Engagement über die eigentliche Identität der jungen Frau hinwegtäuschen: Sie ist Instrumentenbauerin, und sie ist es mit Leib und Seele und einer gesunden Portion Ehrgeiz, sich einem ausschließlich von Männern beherrschten Betrieb entgegenzustellen. „Das ist ganz komisch, gerade Frauen wollen immer von 45jährigen Männern bedient werden“. Eine Lehrstelle bekam sie zunächst nirgendwo: Männer, Männer, Männer. Als Gesellin ging sie zu einem Flötenbauer nach Kanada und guckte dem auf die Finger: „Es ist unbeschreiblich, was man durch abgucken lernen kann“.

Wie kommt eine Frau darauf, Holzblasinstrumentenmacherin, wie es offiziell so schön heißt, zu werden, heute eine von zwanzig in Deutschland? Schwager, Bruder und damaliger Freund sind Geigenbauer. „Aber Geigenbau, das wollte ich nicht. Und ein Praktikum bei Peter Springer, einem heute sehr bekannten Oboenbauer, hat mich dann auf die Idee gebracht“.

Margret Löbner baut vor allem historische Instrumente. Im Unterschied zu den Streichinstrumenten und den Tasteninstrumenten kann man die wenigen historischen Instrumente, die es gibt – es sind etwa hundert in Museen und bei Sammlern – heute nicht mehr spielen, weil sie kein Wasser – sprich Spucke durch das Blasen – mehr vertragen. Also bleiben alte Bilder und alte Baupläne. Das Schwerste ist die Intonation durch die Innenbohrung.

Die Blockflöte ist das einzige Instrument, das nach einer Hochblüte in der Renaissance und im Barock regelrecht ausgestorben ist. Stets wachsende Öffentlichkeit und die entsprechenden Räume machten sie überflüssig. Mit ihrem „läppischen und zugleich nüchternen Klang“ (Adorno 1956) fristete die Blockflöte nach zweifelhaftem Ruhm in der Haus- und Jugendmusikbewegung der 20er Jahre ihr Dasein in der frühkindlichen Musikerziehung. Den historischen ästhetischen Stellenwert kann man sich heute erst allmählich wieder vorstellen: „Somit könnt ihr sicher sein, daß die Blockflöte die Aufgabe hat, die menschliche Stimme mit all ihren Möglichkeiten nachzuahmen, denn sie vermag es“, so Silvestro Ganassi 1535. Was wirklich schwer am Blockflötenspiel ist: die Intonation und die in den alten Dokumenten geforderte Sprachähnlichkeit, an die die Komponisten des 20. Jahrhunderts anschließen und wieder für das Instrument komponieren. „Auch wechselt sie ihren Klang mit mehr oder weniger Kühnheit, je nachdem, was sie ausdrücken will“. Das sagte Ganassi und das gilt heute.

Als Margret Löbner mir tief im Keller einige duftende Öl- und Holzgeheimnisse ihrer Werkstatt zeigt – „aber nicht schreiben, das darf niemand wissen“ –, fühle ich mich in ein anderes Jahrhundert versetzt: in eine Zeit, in der die handwerkliche Leistung noch mündlich weitergegeben wurde und wesentlich von Versuchen und Forschungen abhing. Der Buchsbaum, den sie ausschließlich verwendet, lagert zunächst einmal mindestens fünf Jahre. Kenntnisse und Erfahrung fließen bei Margret Löbner natürlich auch in jede kleine Reparatur ein: da hat einer im Übereifer sein Mundstück zu viel geölt, da will eine aufgeregte Flötistin vor einem internationalen Wettbewerb noch schnell die Ansprache geändert haben, oder es sind auch nur mal hineingespuckte Krümel wieder rauszuholen.

Zehn Jahre Bestehen des Ladens feiert auch Margret Löbners Familie: drei Kinder im Alter von zwei, vier und sechs Jahren sind da. Ehemann Ulrich Jesse, von Beruf Drechslermeister und Tischlergeselle, managt den Laden, kennt sich mit Finanzen aus. Er hat die einzige Ganztagsstelle in dem kleinen Betrieb. „Mein Selbstbewußtsein nur aus der Familienarbeit zu ziehen reicht mir nicht. Mir ist es auch zu langweilig, allein mit Kindern“. Eine Entscheidung, die nach wie vor von jeder Frau getroffen werden muß, während sie für Männer selbstverständlich ist. Streß strahlt Margret Löbner nicht aus, höchstens Konzentration: daß es eine Frage der Einstellung, des Willens, der Liebe zu einer Sache und der Organisation ist, Mutter und Unternehmerin zugleich zu sein, beweist sie täglich, sich und den anderen.

Ute Schalz-Laurenze