Felix ließ eine Angoraunterhose zurück

■ Chaos, Kalorien und Karstadt am Hermannplatz: Die Hörspielautorin und Alleinunterhalterin Holly-Jane Rahlens hat jetzt auch einen Roman geschrieben

Das Buch ist geschwätzig, und zwar mit Methode. Es handelt von Liebhabern, die es nicht wert sind, überfälligem Hausputz, lästigen Pfunden auf den Hüften und Schaffenskrisen, von Macy's in New York und Karstadt am Hermannplatz, von amerikanischen Bagels und Gardinen vor deutschen Fenstern, von der Räucherstäbchenzeit und K-Gruppen- WGs. Es erzählt einem bei alldem eigentlich kaum etwas Neues, das aber flott, und man kann sich – kurz gesagt – einen richtig netten Abend damit machen.

Die jüdische New Yorkerin Holly-Jane Rahlens lebt seit 24 Jahren in Berlin. Als Journalistin und Moderatorin, als Hörspielautorin und seit einigen Jahren auch als Alleinunterhalterin. Ihre englischsprachigen Shows und Lesungen heißen „Prince Charles, Melvin Minsky & Me“, „New York – Neukölln“ oder „Mazel Tov in Las Vegas“. Ganz schlicht etwa auf einem Barhocker sitzend, plaudert Rahlens dann drauflos. Sie erzählt vom jüdischen Amerika oder schöpft aus ihrem Fundus autobiographisch gefärbter Geschichten.

Der Biographie des literarischen Alter ego Becky Bernstein verbunden, begegnet einem im Roman so manches davon wieder. Wobei das Buch schon vor der Hochzeitserzählung „Mazel Tov“ endet – die neue Liebe, Benno, taucht erst am Ende des letzten Kapitels auf, und die Ich-Erzählerin widmet ihr bewußt nur wenige Zeilen. „Es ist eine Geschichte von mir und meiner Wohnung“, heißt es im Epilog in der Übersetzung von Sigrid Ruschmeier, „und davon, was wir erlebt haben, als wir eine Diät machten. Daß Benno zufällig ganz zum Schluß daherkam, daß ich meine Geschichte mit seinem Auftritt beschließe und nun alles zu einem hübsch ordentlichen Päckchen verschnürt ist, ist ja noch lange kein Grund, endlos von ihm zu erzählen. Hey, das hier ist eine Geschichte von Chaos und Kalorien. Keine Liebesgeschichte, soweit ich sehe.“

Vielleicht keine für die Ewigkeit. Männer gibt es dafür aber einige. Bevor sie dem Illustrator Benno begegnet, bringt die jüdisch-amerikanische Journalistin Becky Bernstein einiges hinter sich. Da war Jürgen, in den sie sich im New Yorker Museum of Modern Art verliebte. Es war 1971, sie trug das „rot-goldene Maharishi- Love-and-Peace-Brokatkleid“, er sah aus wie Dustin Hoffman und sagte dann aber: „I em werry sorry, but I do not spiek English wery vell.“ Becky ging trotzdem mit ihm, und zwar nach Neukölln. Später gab es einen Hannes, der gern in Ausstellungen und bald wieder seiner Wege ging. Und irgendwann kam und ging dann auch Felix. Er ließ eine lange Angoraunterhose zurück. Nach Felix beschloß Becky, ihr Leben zu ändern, abzunehmen und ihre Wohnung auszumisten – genau das, was man in solchen Fällen eben tut.

Und während sie so abnimmt und ihre Wohnung ausmistet (was doch einige Monate in Anspruch nimmt), trifft sie sich mit Nachbarn zum Skat, versucht, eine halbdokumentarische Fernsehserie über Brandenburg zu schreiben – und sondert Erinnerungen ab. Erinnerungen an Männer und alles, was jeweils soziokulturell so dazugehört. Aber auch Erinnerungen an ihre Kindheit in Brooklyn und an die orthopädischen Schuhe während der Pubertät in Far Rockaway. Oder an spätere Besuche bei ihren Eltern, wo sie ihre Berlinisierung daran bemerkt, daß sie einen kalifornischen Autodieb für einen kalifornischen Autobesitzer hält. Oder an Marsha, ihre Busenfreundin aus Kindertagen.

Marsha, die in der Jetztzeit in New York erfolgreich und einsam vor sich hin lebt, kommt zum Schluß – ein doppeltes Happy-End hält besser – übrigens auch nach Berlin und wird mit Barry verkuppelt, einem sexbesessenen, gleichfalls jüdisch-amerikanischen Schauspieler, der Becky regelmäßig zum Biertrinken und Wäschewaschen besucht.

Ein fröhliches Buch über einen Alltag, der ebenso leicht und bedenklich ist wie jeder Alltag, nur etwas bunter, und der in einer Mischung aus Selbstironie und Eitelkeit erzählt wird, die schon okay ist. Lesen kann wie Fernsehen sein, und eine One-woman-Quasselshow läßt sich wirklich zwischen Buchdeckel pressen. Petra Kohse

Holly-Jane Rahlens: „Becky Bernstein goes Berlin“. Aus dem Amerikanischen von Sigrid Ruschmeier, Piper Verlag, 302 Seiten, 39,80 DM