Der Barbier von Bebra

■ Von Wiglaf Droste und Gerhard Henschel

Was bisher geschah: Inspektor Klein und die Führungsriege des FC Bayern München sind angeschlagen. Gisela Güzel leistet ganze Arbeit.

Reinhold Beckmann griff sich mit beiden Händen an den Hals, röchelte und rang nach Luft.

Wenn ich das hier überlebe, schwor sich der Sportmoderator und japste, werde ich den Leuten mit meinem Gesülze nie wieder die Freude am Fußball verderben.

Er versuchte zu husten, aber es ging nicht.

„Fair geht vor“, sagte die Kommissarin und gab ihm einen Klaps aufs Kreuz. Das brachte den Korken zurück ins Spiel. Der feuchte Pfropfen schnellte aus Beckmanns Hals heraus – direkt in Beckenbauers rechtes Auge.

Dann wurde es still.

„Die Schlacht ist geschlagen. Joho, und 'ne Buddel voll Rum!“ rief Gisela Güzel der ausgeknockten Bagage zu und verließ das Lokal.

Auf der Straße lauerte ihr Oberinspektor Derrick auf. Er sah komisch aus. Über den Schädel hatte er sich eine Feinstrumpfhose gewürgt und anschließend die Sonnenbrille wieder aufgesetzt. Den rechten Arm trug er in einer Schlinge. Er atmete schwer und preßte die Worte hervor: „Was hast du mit meinem Haribo gemacht, du Otterngezücht?“

Sein linker Arm ruderte in der Luft und suchte nach der Kommissarin.

Gisela Güzel hatte genug. Es war ein langer Tag gewesen. Sie trat dem schmutzigen alten Mann die Beine weg.

Und ihre Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.

*

„Lavendel, Oleander, Jasmin – Vernell!“

In den Badezimmern des Landes war an diesem Abend der Teufel los. Stefan Derrick und Harry Klein saßen in der Wanne des Oberinspektors, gossen Badezusatz nach und leckten ihre Wunden.

„Alles hab' ich zahlen müssen!“ klagte Harry. „Und die Nase hat sie mir kaputtgemacht. Mein zweitliebstes Organ! Ich werde nie wieder richtig koksen können.“ Er begann zu rüsseln. „Von wegen Kripomaus! Erst baggert sie mich an, und nur weil ich nicht will, macht sie mich zum Krüppel. Die ist so gemein!“

Stefan nickte düster. „Ich kam zufällig vorbei und wollte ihr über die Straße helfen“, sagte er. „Zur Belohnung hat sie mir fast die Beine gebrochen!“

Die beiden Männer reichten einander die Hände und weinten.

„Diese Story schlägt mir sowas von auf den Magen, Stefan, das kannst du dir gar nicht vorstellen.“

„Ich glaub', da hab' ich was für dich. Laß uns rübergehen in die Lounge.“

Sie stiegen aus der Wanne, kletterten in unsaubere Bademäntel und schlurften in den Wohntrakt. Stefan stellte eine angebrochene Flasche Ratzeputz auf den Tisch und legte zwei Tabletten dazu. Mehr war bei Besoldungsstufe A 10 nicht drin. „Rennie räumt den Magen auf. Wohlsein, Harry.“

Dann tranken sie.

„Du, ich merk' schon was“, sagte Harry und blickte zu Boden, wo ein falbes, offenbar häufig benutztes Kondom verdorrte. „Hast du Liebe gemacht?“ fragte er vage.

„Nur mit mir selbst. Ich nehm das wegen der Ansteckungsgefahr. Man hört ja soviel in letzter Zeit. Und außerdem, sicher ist sicher. Ein Kind kann ich mir in meiner Position nicht leisten.“ Er schüttelte resigniert den Kopf. „Man kennt das doch. Mit fünf hören sie harte Rockmusik, mit sechs fangen sie das Bumsen an, und mit sieben stehen sie verbraucht in der Raucherecke. Das ist nicht die Welt, für die ich kämpfe.“

Sie nahmen auf zwei Bierkisten Platz und schwiegen lange.

Es war Harry, der den Diskurs wieder eröffnete: „Ich glaube, ich möchte ein Baby, Stefan. Wenn du weißt, was ich meine.“

Fortsetzung folgt

Erscheint im Herbst bei Edition Nautilus